Die Frage nach dem „Warum?“ bekomme ich mittlerweile so häufig gestellt, dass es Zeit wird sie zu beantworten.
Es geht nicht darum, etwas zu beweisen und auch sicher nicht um Schnelligkeit, oder gar ums Gewinnen. Und doch ist der Ehrgeiz nicht verloren gegangen, die Motivation immer noch da. Natürlich ist das Gefühl ganz vorne dabei zu sein ein Schönes, doch wird es ganz schnell übertrumpft von Erstaunen, Entdeckungsfreude und Freiheit, wenn man geschafft hat es loszulassen. Warum also? Warum raus ins Nasse, warum stundenlang durchs Nichts und dann auch noch ohne echtes Ziel. Ist es nicht eher ein Wegrennen vor irgendwas, ein Irren ohne Ziel, oder gar die nie erfüllte Hoffnung endlich mal irgendwo anzukommen? Ist das nicht schrecklich? Tut nicht alles weh danach? Ist es die Erschöpfung wirklich wert?
All diese berechtigten Fragen, sind doch von Grund auf falsch gestellt. Die falsche Herangehensweise. Natürlich kommt man nirgendwo an, es ist ja kein Wettkampf bei dem der Erfolg zwischen Start und Ziellinie gemessen wird.
Man ist längst angekommen wenn man nur losläuft. Dieses Gefühl den Rucksack aufzusetzen und die ersten Schritte zu laufen ist einmalig – das Ziel ist damit schon erreicht. Man ist endlich angekommen beim Laufen. Zu beschreiben ist es sicherlich schwierig; es ist das Loslassen von allem anderen. Das Einzige was noch zählt ist der Augenblick – der nächste Schritt. Konzentration ist gefragt bei jedem Schritt und doch gibt es wenig was mehr entspannt als ein paar Stunden zu laufen. Der Rucksack bringt Unabhängigkeit und ermöglicht Spontanität, die mit Sorgfalt geplante Strecke sorgt sicher für die nötigen Überraschungen. Nichts ist spannender, als eine am Computer auf Kartenmaterial gezeichnete Strecke zum Leben zu erwecken. Bei der Streckenplanung gilt dabei natürlich die oberste Regel: je kleiner und abgelegener, desto besser. Damit ist eins schon vor der Tour sicher: es wird großartig. Das Zusammenspiel all dessen ist es, was die Frage nach dem Warum beantwortet. Oder vermutlich auch nicht; da ist noch mehr, viel mehr. Das Wesentliche.
Ich würde gerne das Gefühl beschreiben das einen beschleicht, wenn der Pfad so schmal wird, dass man sich langsam fragt: geht es auch wieder raus hier? Ich würde gerne beschreiben wie es sich anfühlt, wenn es um einen herum plötzlich so einsam und ruhig wird, dass man absolut nichts mehr hört. Ich würde gerne beschreiben wie es sich anfühlt wenn der Pfad sich so steil in die Tiefe stürzt, dass man versucht in einem Zustand des ständigen Fallens, doch nicht zu stürzen. Ich würde gerne darüber berichten, wie es ist in absoluter Stille in der frühen Morgensonne über eine mit Tannennadeln bedeckte Lichtung zu laufen. Oder auch wie es ist, Tempo aufzunehmen auf einem aberwitzig schmalen Pfad, der zu allem Überfluss mit rutschigen Wurzeln übersäht ist. Wie es sich anfühlt durch meterhohes Gras zu laufen und die Arme zu beiden Seiten auszustrecken. Wie es sich anfühlt absolut erschöpft zu sein und doch Wissen, dass es sicherlich noch 10 Kilometer sind. Wie es ist Pfade wiederzuentdecken, die sicherlich lange keine Menschenseele betreten hat; wie es ist von Spinnenweben empfangen zu werden, die zu sagen scheinen: wurde auch mal wieder Zeit das hier jemand vorbeiläuft. Oder auch wie es ist an einsamen Bächen einfach kurz stehenzubleiben und dem Wasser zuzuhören. Ich würde euch auch gerne Miterleben lassen, wie es sich anfühlt sich durch schlammige Täler zu wühlen, so nass zu werden das man langsam merkt wie die Füße in den Schuhen anzuschwellen zu scheinen oder auch tagsüber einer schwarzen Wolke entgegen zu laufen und dabei zu merken, dass es im Wald plötzlich so dunkel ist, dass eine Lampe wirklich hilfreich wäre. Auch würde ich gerne beschreiben wie es ist, mit jemandem zusammen unterwegs zu sein mit dem man sicherlich schon hunderte Kilometer gelaufen ist und immer noch Gesprächsthemen zu finden (auch wenn es der größte Schwachsinn ist). Natürlich würde ich auch gerne über das Gefühl absoluter Einsamkeit gepaart mit unendlicher Freiheit berichten. Oder darüber, wie es ist, wenn die Erschöpfung plötzlicher unbändiger Freude und Verbundenheit mit der Natur Platz macht.
Doch all das bleibt unbeschrieben, weil es unbeschreiblich ist.
Es geht also letztendlich darum: die Freiheit zu erleben, dabei pure Freude einfach Laufen zu können zu erfahren und gleichzeitig das Unbekannte zu entdecken. Ganz besonders gut ist das natürlich mit dem Barkley-Gefühl zu kombinieren, welches vermittelt: akzeptiere die Möglichkeit des Scheiterns, heiße sie willkommen, dann kann alles gelingen – glaube bei jedem Schritt das es möglich ist, sonst ist es sofort vorbei.
Es gibt unzählige vergessen Pfade da draussen …
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