Jeder Läufer kennt diese Phasen. Es läuft nicht wie gewünscht. Sei es eine Krankheit, eine Verletzung, oder schlicht und einfach das Leben, welches das Laufen in den Hintergrund treten lässt. Es gibt diese Wochen, nach denen man auf die Liste schaut und denkt: diese 100 km waren leicht und sind wie um Flug zusammen gelaufen gewesen. Und dann gibt es Wochen, da fällt es aus unterschiedlichsten Gründen schwer überhaupt auf ein paar wenige Kilometer zu kommen.
Zeit sich zu entspannen. Sich daran zu erinnern, was das Laufen eigentlich bedeutet. Das die Läufe und die Ziele zwar wichtig und wundervoll sind, es aber ganz im Kern auf etwas anderes kommt. Die Kraft der unzähligen wunderbaren Momente und Begegnungen die das Laufen schenkt, diese ursprüngliche Freude daran unterwegs zu sein. Dafür braucht es keinen Grund und keine Ziellinie – der Zauber liegt in den einfachen Dingen.
Zeit, über die wundervollen Momente, die witzigen Gespräche und die atemberaubenden Momente vergangener Läufe nachzudenken. Im Rückblick betrachtet wirken sowohl die schweren und eindrucksvollen Läufe, als auch die kleinen Runden im Wald irgendwie unwirklich. Weit weg und doch so bezaubernd nah. Die Erinnerung an all die Sonnenaufgänge allein in diesem Jahr, die Momente in denen man vor Staunen über die Schönheit der Umgebung stehen bleiben musste, die unendlichen Dünen in den Niederlanden, der Moment bei km 97 wieder am Meer zu sein, jeder Schritt diese Düne hinunter ist noch im Kopf als wärs gestern gewesen, der Moment am Bahnhof nachdem es geschafft war – ein Gefühl voll Wehmut, Leere und Erschöpfung… Eine unendliche Reihe wunderbarer Erinnerungen.
Überhaupt ist der Moment in dem es geschafft ist ein ganz eigenartiger. Auf den letzten Metern vor dem Ziel scheint die Zeit und die Umgebung nicht mehr wichtig. Mir wird dort oft bewusst, wie klein und unwichtig das eigene Tun doch ist. Der Wunsch anzukommen ist vermischt mit einer großen Trauer und Wehmut, dass es vorbei ist. Unabhängig vom Grad der Erschöpfung. Jens Vieler hat es im Wüstenläufer gut beschrieben – ein kleiner Teil sagt: dreh um, lass es nicht enden. Gerade auf längeren Distanzen liegt eine große Portion Dankbarkeit mit in den Gefühlen. Gegenüber den Helfern, der Strecke, den Bedingungen, den Mitläufern. Kleine Sachen hätten es scheitern lassen können und doch ist mal wieder alles gut gelaufen. Das Gefühl ist bei mir vergleichbar mit dem Moment während eines Urlaubs das letzte Mal an den Strand zu kommen und das Meer zu sehen. Man möchte sich setzen, den Wellen zuhören und nicht mehr wieder gehen. Bezaubert vom Augenblick über alles in Ruhe nachdenken. Ein Moment zum Träumen, ein absolut zeitloser und wehmütiger Moment. Und dann geht es doch ab unter die Dusche. Auch schön.