Der Hinweg vom Bahnhof Heerlen führt direkt mal an einigen Sehenswürdigkeiten der Stadt vorbei (Statuen, merkwürdigen Firmengebäuden und Stockrose-bewachsenen Hauseinfahrten). Irgendwie sind die Straßen morgens um 9 Uhr in den Niederlanden sehr leer – war gestern etwa Fußball? Bald liegt die Stadt hinter uns und es geht ab in den Wald. Der erste Eindruck von der Umgebung stimmt uns froh und als wir dann noch einen Abhang sehen, der mit Sicherheit nicht laufbar ist und doch zur Strecke zu gehören scheint können wir uns kaum erwarten. Der Wald lichtet sich und nach den ersten 4,5 Laufkilometern sind wir am Start. Schön neue Sportanlage inkl. Vereinsheim und viele lustige Läufer. Jetzt heisst es Rucksack umpacken, Chip an den Schuh und warten das es los geht. Wann das dann wohl sein wird, weiss keiner so genau und es scheint auch keinen wirklich zu interessieren. Irgendwann bekommen wir viele hilfreiche Informationen zur Strecke auf niederländisch durchgesagt (wir hoffen das es auch ohne die Infos gehen wird) und es geht los. Nach einer kleinen Runde um den Sportplatz und über ein paar Nebenstraßen geht es zügig in den angrenzenden Wald. Schnell wird klar das heute alles super wird. Wunderschöne enge Trails, Matschgruben, Bäume auf dem Weg und kleine gelbe Pfeile die die Richtung weisen. Naja, also zumindest meistens (der Track auf der Garmin hat dann doch noch die Chance gehabt sich zu bewähren). Was auch auffällt: der pessimistische Wetterbericht sollte nicht recht behalten und es wird schnell sehr warm (schade eigentlich). Achso ja: der vorhin beschrieben Abhang war tatsächlich nicht laufbar – es fühlte sich eher nach springen/fallen an. Nach 6 km die erste Verpflegung und wieder einmal bewahrheitete sich: die kleinen Laufveranstaltungen haben es einfach drauf. Alles da was Not tut: Salzstangen, Chips, Waffeln, Äpfel, Wasser, Cola und Energiezeug und jede Menge Weingummi! Der Track führt jetzt immer wieder über offene Wiesen, zwischen Feldern entlang und hält sich dabei immer an das Motto: neben den Wegen ist auch schön. Nach ca. 10 km kommt dann schon das absolute Highlight. Gemütlich auf einem Feldweg unterwegs werden wir von hinten darauf aufmerksam gemacht das es doch nach links abgeht. Und richtig: die Garmin sagt das auch. Allerdings ist auch glasklar, dass das eine Streckenführung aus einer Zeit sein muss an dem der Steilhang da links weniger zugewachsen gewesen sein muss und ganz sicher nicht abgesperrt war. Die von hinten Rufenden wollen irgendwie trotzdem da hoch und Teile unser zweiköpfigen Laufgemeinschaft sind direkt Feuer und Flamme. Also Klettern wir: zuerst über den Zaun und dann den Steilhang hoch – auf allen Vieren. Die Belohnung folgt oben: 1 km eines ehemaligen Trampelpfads der wunderbar zugewachsen ist und eine sensationelle Aussicht bietet. Die anderen Läufer laufen unten auf dem breiten Weg locker an uns vorbei, doch es ist Zeit zum genießen. Mittlerweile sehr weit hinten im Feld kehren wir auf den wohl richtigeren Weg zurück. Es wird immer wärmer und die Trinkpausen häufen sich. Bei der zweiten von drei Verpflegungen bei km 16 sehen wir zu das wir möglichst viele Chips essen und unsere Wasservorräte auffüllen. Der größte Teil der zweiten Hälfte des Laufs geht wunderschön zwischen Feldern entlang, über Felder, über Wiesen und immer schön rauf und runter. Es wird immer deutlicher: das ist heute richtig übel! Frohen Mutes kämpfen wir uns weiter und werden kurz vor Schluss nochmal richtig belohnt. Es geht wieder durch das am Anfang beschrieben Wäldchen und gipfelt in einem Teil wo auf einmal Seile von einem Abhang herunterhängen der sonst auf keinen Fall zu bewältigen wäre. Nach dem Kletterspaß ziehen sich schöne Waldpfade bis zum Ende des Rennens nach 36 km. Rucksäcke wieder füllen und ab in Richtung Bahnhof. 4,5 der längsten km die es wohl gibt. Toll wars – nächstes Jahr gerne wieder!
Archiv für den Tag: 3. August 2014
20140607_TorTour Support
„Es ist eine gefährliche Sache, Frodo, aus deiner Tür hinauszugehen. Du betrittst die Strasse, und wenn du nicht auf deine Füße aufpasst, kann man nicht wissen, wohin sie dich tragen.“
Leichte Kopfschmerzen, das Gefühl zuviel gegessen zu haben und gleichzeitig die Frage ob genug Energie im Körper steckt und dazu diese bleierne Müdigkeit. Es ist Samstag Abends 23 Uhr. Am liebsten würde ich mich jetzt ins Bett liegen. Im Fernsehen nur belangloses Zeug – immer wieder der Blick auf das Handy. Immer noch keine SMS. Die Gedanken sind bei Henk – das war heute viel zu warm für einen Lauf über ein paar KM und sicherlich die Hölle wenn man seit 8 Uhr auf den Beinen ist. Um 00:26 kommt die SMS von Rebecca: „Henk wandert jetzt – braucht noch eine Stunde bis KM 130“. Es ist also soweit. Der Blick aufs Thermometer: Unglaubliche 19 Grad. Gut, dann kommt das Unterhemd wohl in den Rucksack. Ein bisschen Wasser, das Handy, die Uhr und die Lampe. 6 KM bis zum VP130 und die ersten Schritte beseitigen nicht nur die Müdigkeit, auch die Kopfschmerzen sind sofort weg. Es geht gut, Fuchs, Reh und Igel auf dem Weg sind relativ erstaunt über meinen Lauf zu dieser Zeit, aber was soll´s. Herdecke bei Nacht ist wie immer: absolut leer. Angekommen auf dem Parklatz am VP130 treffe ich glücklicherweise direkt auf Astrid (Willem macht es sich gerade im Camper bequem um ein wenig zu schlafen), mit der zusammen ich die etwas verstecke Verpflegung finde. Es ist 01:30 Uhr und an der Verpflegung läuft alles ruhig und familiär ab. Jetzt heisst es warte. Wann kommt Henk? Astrid und ich setzen uns an den Radweg und schauen den ankommenden Läufern entgegen. Dann ist Henk da. Er berichtet von einem guten ersten 100er, der großen Hitze, einer nervigen Umleitung und das es ihm nicht gut gehe. Ich bin etwas sprachlos: was soll ich ihm jetzt sagen? „Alles gut!“, „Du hast noch genug Zeit“, „Jetzt ist es doch nicht mehr weit!“ – alles klingt irgendwie unpassend. Henk isst nur ein Toast und will direkt weiter. Astrid auf dem Rad und ich zu Fuß begleiten ihn: einer rechts und einer links von ihm. Nachtwanderung. Henk kann nicht mehr laufen – er versucht es mehrmals aber es geht ihm direkt sehr viel schlechter. Er ist besorgt, rechnet schon jetzt – einen Schnitt von 6 km/h will er unbedingt halten. Das klappt in der ersten Stunde auch ganz gut. Links von uns liegt groß, schweigend und dunkel der Hakortsee. Kurz hinter Wetter erreichen wir den VP140. Rebecca und Willem sind da, Henk trinkt Kaffee. Mit Astrid auf dem Rad und mir gehts weiter. Willem ermahnt mich Henk nicht am Rand des Weges gehen zu lassen: „Wenn er einmal fällt dann war´s das!“ Es beginnt eine schwierige Zeit. Henk ist am Ende und schwankt gehörig. Der Schnitt nähert sich immer weiter den 5 km/h. Ich halte Björn per SMS´en auf dem Laufenden. Zugleich merke ich mir wie mir die Fußballen weh tun. Scheinbar ist das Wandern in Laufschuhen etwas ganz anderes als Laufen – ich verdränge diese Gedanken. Was sind schon diese Probleme im Vergleich zu Henk´s Zustand. Ab 4 Uhr fängt es an zu dämmern – gegen 5 Uhr können wir die Stirnlampen einpacken. „Das Problem ist, dass ich nicht mehr gerade aus laufen kann“. Dann sind wir wieder am Camper. Wieder Kaffee für Henk. Dem tut es sichtbar gut. Auch das man wieder was sieht kommt uns allen zu gute. Meine Füße fühlen sich komisch an. Es wird weiter gewandert und wir nähern uns langsam aber sicher dem Kemnader Stausee. Auf dem Weg dahin geht die Sonne orange über Thyssen auf – ich denke mir: mehr Ruhrgebiet geht nicht. Henk kommt uns am Kemnader See weit entgegen. Etwas abseits von Henk beraten wir uns. Er bestätigt mir, dass das Gehen tatsächlich was ganz anders ist und auch von Ultraläufern geübt werden sollte (wer, wenn nicht er muss das wissen). Auch sagt er: ihr seid zu langsam. 10 Minuten schon. Kurze Verpflegung: Henk bleibt lieber so gut wie gar nicht stehen. Großartiger Kampf. Ich schreibe in der Zwischenzeit Björn, dass wir bis VP174 wohl doch noch sehr lange brauchen würden. Er antwortet er sein in Zwischenzeit angekommen (nach einer sicher nicht angenehmen Zugfahrt durch die Nacht). Wir alle machen Henk Mut. Henk geht weiter. Ich versuche ihm etwas zu erzählen, weiss aber nicht so recht was und so ermuntere ich ihn von Zeit zu Zeit und hoffe das mein gehen neben ihm ihn gut genug unterstützt. Meine Füße brennen. Wir sind auf der Hälfte des Kemnader See´s als Henk plötzlich sagt: „Bei 174 steige ich aus, es reicht!“ Er entschuldigt sich für seinen miserablen Zustand und hängt noch weitere überaus plausible Gründe an warum es nicht mehr geht. Ich sage ihm mehrmals, dass er sich nicht zu entschuldigen bräuchte. Ich hätte vollstes Verständnis und sage ihm, dass es bisher eindeutig schon eine überaus großartige Leistung sei. Wie groß mein Respekt vor seiner Leistung und seinem Kampf ist, kann ich nicht in Worte fassen. Meine Füße schmerzen schon nach 30KM und Henke hat jetzt bald 160. Wie kann er sich überhaupt noch bewegen? Ich schreibe Björn er soll sich vom VP174 mal besser laufend auf den Weg uns entgegen machen, damit Henk ihn noch zu Gesicht bekommt. Henk ist innerlich glaube ich sehr zufrieden mit seiner Leistung und froh über seine Entscheidung. Es wird schon ziemlich warm, wir gehen weiter und werden langsamer. Schnell wird klar das wir VP174 heute nicht erreichen werden. Wie Henk diese letzte Stunde übersteht, kann ich nicht nachvollziehen. Mir tut auch jeder Schritt weh – insgesamt wohl ein sehr trauriges Gespann. Es ist mittlerweile nach 8 Uhr. Endlich kommen wir bei ungefähr KM163 wieder zum Camper. Alle sind da, Willem, Rebecca und Astrid – alle gratulieren Henk. Dieser verschwindet ziemlich schnell im Camper: sein Versuch die Stufen in den Camper zu besteigen macht nur überdeutlich was er geleistet hat. Ich finde ein Stück Wiese und kann mich endlich mal hinsetzen und meine geschwollenen Füße samt einer großer Blasen bewundern. 8 Stunden auf den Beinen, knapp 40KM, kein Schlaf – ich bin froh zu sitzen. Björn findet uns glücklicherweise. Ist kurz bei Henk. Alle sind müde und können sich jetzt entspannen – Henk hat alles versucht und wir haben versucht ihn möglichst gut dabei zu unterstützen. Henk hat 24 Stunden durchgehalten, die ersten 12 in einer Temperatur die sich perfekt fürs Freibad eignet und die nächsten 12 immer noch sehr warm und teilweise dunkel. Er hat etwas mehr als 100 Meilen hinter sich gebracht. Zum Zeitpunkt von Henk´s Aufgabe haben schon über 40 der 80 Startern auf der langen Distanz das Handtuch geschmissen. Es wird immer wärmer. Es wird wieder so ein unmenschlicher Tag. Vermutlich hatten nur die eine echte Chance, die so schnell waren, dass sie zu dieser Zeit schon so um KM200 sind. Für alle anderen würde es sehr, sehr schwer werden. Einen zweiten Tag bei annähernd 30 Grad – vorstellen kann ich es mir nicht. Ich komme mir sehr klein vor in diesem Moment auf dieser Wiese.
20140517_Rennsteig Supermarathon
Das Ding heisst Supermarathon. Super ist der Marathon tatsächlich, aber irgendwie hat da jemand beim Vermessen der Strecke richtig gepennt. Der Tag begann eiskalt in Eisenach. Ich hatte das Glück der Vollbetreuung durch meine Schwester (3:15 Aufstehen, Hinbringen, Betreuung bis Einschließlich Startschuss und Abholen am Zielort) und so konnte ich alles sehr entspannt über mich ergehen lassen. Also Nummer holen und dann mit 2000 anderen Läufern auf dem Marktplatz in Eisenach den Hubschrauber beobachten, der das Spektakel aufzeichnet (interessiert vermutlich niemanden so wirklich).
Pünktlich um 6 gehts dann los. Ich stand im hinteren Drittel des Feldes und so waren die ersten Kilometer absolut überfüllt. Was direkt aufgefallen ist, ist die Gelassenheit der Mitläufer. Keiner hats eilig, alle erzählen allen anderen, dass es bald besser wird. Wirklich besser fühlt es sich erstmal nicht an (es geht merkwürdigerweise nur hoch und ist immer noch richtig kalt) aber nach 10 km hat es sich alles etwas auseinander gezogen. Dadurch, dass das Vorwärtskommen am Anfang etwas erschwert war ist der Schnitt auf der Garmin weit über 8 min/km und ich frage mich schon ob ich wohl noch im Hellen ankomme. Zur Kälte gesellt sich ein hartnäckiger Nebel, der auf dem Inselberg (km 25) recht drastische Formen annimmt. Das erste Drittel ist also geschafft und ich fühle mich immer noch nicht richtig in Laufstimmung – die Beine fühlen sich richtig träge an. Was solls: Weiterlaufen ist angesagt – hilft ja nix.
Die Verpflegung ist exzellent und die Verpflegungsstellen super betreut. Früh beschließe ich mich auf Schmalzbrote mit extra Salz festzulegen. Auf viel Durcheinander verzichte ich bewusst. Einmal gab es noch Gurke mit Kräutersalz (top)! Dazu am Anfang nur Wasser, ab km 45 Wasser und Cola, am Ende nur noch Cola und irgendwas zitroniges und erfrischendes. Kein Schleim, keine Wiener Würstchen, kein Gel, kein Tee, kein Bier, keine Experimente. Die Strecke an sich ist schnell beschrieben: grün, baumreich mit machmal fantastischer Aussicht und durchaus bergig. Da ich schön langsam losgelaufen war, dachte ich: mach ich doch einfach so weiter. Jeder Anstieg wird konsequent gegangen und insgesamt ein Durchschnittstempo von ca. 7:10 (inkl. aller Verpflegungen) gehalten. Und siehe da: km 30 kommt und die Beine fühlen sich besser an, der Nebel ist weg und es wird wärmer. Km 37,5 – Halbzeit. Der Sprecher am Verpflegungsstand erzählt davon das der 1. Läufer vor gut 2 Stunden hier durchgekommen sein soll. Er ist wohl der Einzige, den das interessiert. Es läuft immer besser – ich hoffe das das Hoch nicht zu früh da ist bzw. nicht allzu bald wieder geht.
Km 40, km 45, km 50 und das wirklich Erstaunlich ist: ich fühle mich richtig gut. Km 54 Grenzadler. Auf einmal lichtet sich der Wald und es geht steil eine Wiese hinab und der Zielbogen ist zu sehen. Die Freude ist nur kurz: alle um mich rum laufen dran vorbei und ich schließe mich schweren Herzens an. An der Verpflegung Brühe versucht, für schlecht befunden und wieder auf Schmalzbrote umgestiegen. Kurz überlege ich ob ich nicht doch mal Biathlon versuchen soll, jetzt wo ich schonmal hier bin, laufe dann aber doch wieder hoch in den Wald. Ein Schild mit der Angabe KM 2 verwirrt kurz (die Erkenntnis, dass es sich hierbei um die Kilometrierung der HM Strecke handeln muss, folgt bald).
An der Getränkestelle bei km 58 kurz ein Schwätzchen mit dem Typen von dem Stand mit dem zitronigen Etwas. Er sagt mir: ich wäre der entspannteste und fröhlichste Läufer der bisher vorbeigekommen wäre. Ich sage ihm: die Sonne scheint doch, also warum groß grämen. Ich bedanke mich für die Verpflegung und mache mich auf die letzten 15. Einmal noch hoch (am höchsten Punkt haben die Übermütigen doch tatsächlich einen Haufen Schnee platziert, der fröhlich vor sich hin schmilzt) und dann in Wellen bergab. Es läuft immer noch den Umständen entsprechend großartig, auch wenn es so langsam mal zu Ende sein könnte. Noch 10. Ich denke mir immer wieder, dass die letzten 10 km sich perfekt für einen Wettkampf nach dem Motto: „unter Garantie zur Bestzeit“ nutzen lassen würden. Die bald schon viel drängendere Frage: haben die das 70 km Schild vergessen? So langsam schmerzen die Beine. Es bietet sich ein surreales Bild: die Unterhaltungen sind längst verstummt, alle blicken verzweifelt nach vorne und laufen oder gehen wie Roboter. Alle wollen das Gleiche und doch ist jeder so allein im Kampf mit sich selbst.
Ahhhh, da ist ja das 70 km Schild. So langsam macht sich die Gewissheit breit: heute wird tatsächlich gefinisht. Dann geht alles ganz schnell: 71, 72, Zielgerade – fertig. 8:41:12. Soll reichen. Wirklich ein super Marathon. Ein fader Beigeschmack bleibt dennoch: im Kleiderbeutel ist eine Broschüre der DUV, die aus irgendeinem Grund behauptet ich gehöre jetzt zu denen. Verrückt!