20150725_K78

In der Nachbetrachtung bleibt hängen: absolut umwerfend! Trotz Massenveranstaltung super nette Leute an der Strecke (besonders zu loben: der Rennarzt auf dem Sertigpass), eine wirklich wunderbare Streckenführung und nahezu perfektes Wetter. Zusammen mit Helmut und Erika gestartet, führten uns die ersten 30 km des K78 entlang eines malerischen Tals, mal auf dem Trail etwas bergan, dann neben dem rauschenden Fluss bergab und einige Male direkt neben den Gleisen der hiesigen Bahn. Die Eckdaten des ersten Teilstücks waren: 30 km, 400 m hoch, 900 m runter in 2:59 h. Damit war die Basis gelegt für eine anständige Zeit, der Genuss war nicht zu kurz gekommen und von 1500 m Starthöhe in Davos waren wir auf 1000 m Höhe angekommen (Berge läuft man am besten von ganz unten ;)). Die Rückwärtskilometrierung war etwas gewöhnungsbedürftig, aber dadurch passierten wir auch schon auf diesem ersten Teilstück das 50 km-Schild: die Wohlfühlzone hatte also auch schon begonnen.
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P1090786P1090794P1090796P1090795P1090798P1090801P1090800P1090802P1090805Auf dem ersten echten Anstieg in Richtung Bergün (KM 40), merkten wir schnell, dass die Vorstellungen vom unserem Lauftempo bei uns dreien doch stark auseinander gingen. So trennten wir uns stillschweigend. Nach Bergün ging es dann auf die letzten 36 KM Richtung Davos. Zu dem Zeitpunkt passte alles: das Tempo schien gut, die Beine wollten nicht gehen und es waren ja auch nur noch ein paar Kilometer. Mir war völlig klar, dass der schwerste Teil des Rennens jetzt kommen würde. Zwischen Kilometer 40, wo ich mich befand und Kilometer 58 (der höchsten Stelle des Rennens am Sertigpass) lagen 18 höchst interessante Kilometer. Zuerst seicht bergan, wurde es auf den letzten 5 KM bis zur Keschhütte wirklich schwer. Steile, steinige Pfade warteten. An Laufen war bei Niemandem mehr zu denken und so war das einzige was zählte: Schritt für Schritt da hoch marschieren – koste es was es wolle. Mit den Erfahrungen zweier Jungfrau-Marathons im Kopf war es für mich auch die Frage: was macht der Körper. Auf den alpinen Trails hoch zur Keschhütte ging es dann doch erstaunlich gut (bis auf das Gefühl nicht vorwärts zu kommen und den Drang sich einfach hinzulegen). Der Kreislauf machte sich nur ein wenig bemerkbar und auch der Magen schien ok. Das Problem war: essen war unmöglich in der Höhe. Der Mund so trocken, dass jeder Bissen zur Qual wurde. Egal:  eigentlich hatte ich genug gegessen bisher, dass es auch ohne gehen müsste. Abseits dieser Probleme bleibt eins festzuhalten: alpine Trails sind absolut brutal, aber es ist wunderschön da oben! Das Gefühl der Freiheit gepaart mit einem tiefen Verständnis wie unendlich klein und hilflos man in diesen Regionen ist, ist einmalig und nicht zu beschreiben. Auf dem Abstieg von der Keschhütte musste ich dann schon etwas grinsen. Ich mag zwar die Trails und es darf auch richtig schön schwer und kompliziert sein – aber das was da gelaufen werden sollte… Belohnt für den Abstieg wurden alle Läufer mit dem Panoramaweg zwischen Keschhütte und Sertigpass – unbeschreiblich schön. So langsam merkte ich auch die Anstrengung und machte mir bewusst das ich schon 50 KM in den Beinen hatte. Ohne Gnade folgte der Anstieg zum Sertigpass wo alle Läufer mit Namen vom Rennarzt begrüßt wurden. Auf die Frage wie es mir ginge, antwortete ich: gut – könnte nur bald mal vorbei sein. Das angebotene Risotto auf 2700 m Höhe konnte ich leider nicht essen, dafür ein paar Schlucke Cola und ab in die Hölle. 18 KM noch bis ins Ziel, 1200 m galt es noch zu verlieren. Die ersten 5 KM auf dem Trail bergab: oh mein Gott! Jeder Schritt höchste Konzentration, ständig das Gefühl man würde gleich einfach runter fallen… Ich war so froh als diese Passage vorbei war. Auf breiteren Wegen lief es sich dann ganz gut bis Fertig Dörfli – der letzten großen Verpflegung und Zeitnahme.

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Ab hier waren es noch 11 KM bis Davos. 1:10 h noch Zeit bis zu den 10 Stunden. Was sich vorher schon angekündigt hatte wurde dann aber Wirklichkeit: ich war am Ende. Nicht irgendwie – absolut. Auf Grund mangelnder Konzentration stürzte ich direkt hinter Sertig und der Schmerz in den Händen weckte mich etwas auf – nur um mir zu verdeutlichen: mein Kreislauf war nicht mehr existent und ein stechender Schmerz in der Nierengegend verhinderte schnell jedes Laufen. Auf dem Höhenprofil sahen die letzten 11 KM leicht aus: etwas bergab, keine großen Variationen und so traf mich der auf-und-ab-Trail mit voller Wucht. Am Rande der Aufgabe wankte ich weiter – ans Laufen war nicht zu denken. Mehrmals habe ich mich einfach auf eine Bank gesetzt und 3 Minuten nichts getan: hätte mir jemand ein Auto angeboten – ich hätte es wohl genommen. Doch ich schleppte mich weiter: auf die längsten 11 KM der Welt mussten ja mal zu Ende gehen. Bergab auf breiten einfachen Wegen gehen zu müssen war jedenfalls eine sehr neue und eindrückliche Erfahrung. Doch das wunderbare beim Laufen ist: jedes Tal geht wieder weg und die letzten 2-3 KM konnte ich auch wieder leicht traben, so dass ich laufend nach Davos kam. Ab ins Stadion und die Schmerzen waren vergessen. Der Schritt über die Ziellinie war von dem Gedanken begleitet: gekämpft und besiegt. Nicht irgendjemanden um mich herum, sonder mich selbst. Nach 10 Stunden und 18 Minuten war es dann endlich geschafft. Erstaunlicher Weise dauerte die Schwäche nach dem Lauf nur ca. eine Stunde an – danach war es wieder gut. Die Erholungszeit hat sich im Gegensatz zu den Jungfrau-Läufen schonmal schön verkürzt. Erika und Helmut waren auch bald im Ziel. Über die letzten 11 KM habe ich jedenfalls viele schimpfen hören. Zusammenfassend ist es ein sehr schwerer, aber auch wunderschöner Lauf. Ob ich so bald wieder in die Berge will, ist mir noch nicht so klar: ich habe jetzt wohl einen besseren Einblick auf das gewonnen, was mich in den Alpen so erwartet. Von den Eindrücken her unglaublich schön, soviel steht fest. In dem Moment aber, in dem ich das Stadion verließ, war da die absolute Freude in mir, dass es in nächster Zeit höchstens ein paar Berge in deutschen Mittelgebirgen hochgeht.

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