Aus ´Warum´ wird ´Wofür´!

Über das “Warum?” nach dem schon so oft gefragt wurde und das immer noch interessant zu sein scheint, wurde an anderer Stelle schon berichtet. Mit ein paar mehr längeren Läufen in den Beinen, bleibt das was dort steht weiterhin mehr als valide. Rucksack auf, raus auf die Pfade dieser Welt und frei sein. So soll es sein. Und doch ist in letzter Zeit ein neuer Aspekt hinzu gekommen. So viel Kraft einem dieses Laufgefühl und das Wissen um die Antwort auf das “Warum?” auch zu geben vermag – es kommen die Momente wo selbst das nicht mehr reicht.

Die Antwort auf “Warum?” hat in diesen Momenten einen eher trotzigen Charakter. Weil es möglich ist, weil es Spaß macht, weil es nicht mehr weit ist, weil die Landschaft so schön ist. Ach, hör doch auf. Möglich vielleicht, aber wahrscheinlich war es doch nie wirklich. Spaß hat es die ersten 100 km gemacht – es ist noch immer schön dabei zu sein, aber so richtig Kraft gibt das nicht mehr. Nicht mehr weit? – unter 100 km sind sicher nicht im strengeren Sinn “weit” aber es ist doch noch nen Stück harte Arbeit. Die Landschaft. Ja, fantastisch. Nur ist es 21 Uhr, seit Stunden schon stockfinster und verdammt kalt.

Es ist Zeit den Blick auf andere Dinge zu lenken. Den Trotz des “Warum?” zu nehmen, aber noch etwas deutlich Positiveres oben drauf zu setzen. Die Gedanken schweifen ab.

Zum VPsucher zum Beispiel. Zu den tausenden gemeinsamen Kilometern. Er hat es sicher schwer dort zu Hause vor dem PC. Vermutlich schaut er auf den Punkt und es zerreißt ihm sein Herz. Nicht weil ihm mein Jammern fehlt, oder der tiefe Sand, oder das Wasser aus dem Rucksack – sondern weil er gern dabei wäre beim Abenteuer. Ich kann es nur zu gut nachvollziehen. Zu Hause zu sitzen während der andere unterwegs ist, ist immer mies. Man kann so wenig helfen. Man wünscht dem anderen alles Gute, aber es bleibt ein doofes Gefühl. Aber ich dort draußen kann mir darüber jetzt keine Sorgen machen. Das einzige, was ich tun kann ist, mich zusammen zu reißen und weiter zu machen. In den ganz schwachen Momenten ist es vielleicht sogar ein kleiner Vorteil, dass ich dem VPsucher jetzt nicht meine Gebrechen und Sorgen beichten kann und mit ihm durchzusprechen, was für Optionen es gibt. Ich kenne die Optionen. Es sind genau zwei. Da gibt es nichts nachzudenken. Nachmachen, was der VPsucher schon so oft vorgemacht hat – immer weiter. In Erinnerung an mein DNF im vorigen Jahr und das einsame Finish des VPsuchers ist es jetzt an mir. Das kann ich nicht leichtfertig hergeben. Einer von uns kommt an. Punkt. Bis zu dem Moment, wo wir den LEO180 zusammen beenden werden. Wenn es perfekt läuft, dann sind wir ganz vorne zu dem Zeitpunkt und stellen die Orga vor ungeahnte Herausforderungen.

Auch die Diskussionen mit M. kommen mir in den Sinn. Bei der Durchsicht der Fotos des letzten Jahres und beim Videostudium hab ich versucht ihm den Charakter des Laufs näher zu erklären. Ihn interessierten mehr die Fotos von den Pokalen. So einen hätte ich dann aber auf jeden Fall mitzubringen. Den größten. Aber den bekommt doch nur der Sieger. Ja und? Na, also das geht nicht. Und überhaupt – ankommen wird schon unfassbar schwer. Aber wenn man ankommt bekommt man einen Pokal? Ja. Ok. Schenkst du mir den dann? Ähm. Na gut. Versprochen? Mal sehen. Noch bei der Verabschiedungen waren drehten sich die letzten Fragen um den Pokal. Ich meine was soll man da schon groß machen. Die Frage nach dem “Wofür” ist damit auf jeden Fall direkt beantwortet. Es muss doch einfach gehen. Er würd sich doch arg freuen, wenn der Pokal mit nach Hause kommt. Noch steht er auf meinem Schreibtisch, aber bald gebe ich ihn ab und er kommt ins Kinderzimmer – versprochen ist versprochen.

Und all die Menschen die vor den Punkten sitzen, über WA oder FB informiert bleiben wollen und den Kontakt suchen. Ich kann doch hier jetzt nicht einfach stehen bleiben und aufgeben. Alle haben Spaß am Dot-watching und sind guten Mutes.

Die eine Seite

A. zum Beispiel kann die Schmerzen nur zu gut verstehen, erinnert mich aber daran weiter zu gehen und auch im Zweifel erst immer noch einen Kilometer weiter zu gehen vor der endgültigen Entscheidung. Der Fuchs. Ich bin voll drauf reingefallen. Das kommt davon, wenn man das Denken schon verlernt hat.

Die andere Seite

Oder M.. Ich sehe es noch immer vor meinen Augen, wie er in Iserlohn die 200 km knackt. Unfassbar. Er drückt seine Daumen. Sehr gut.

Zusammen allein.

Der halbe LTB fiebert auch mit. Die ganze Nacht. Gratulieren für die durchlaufene Nacht. Sind nicht ganz so rigoros wie A. was meinen kaputten Fuß angeht – aber das kann ich ignorieren. Weiß ich doch, dass sich alle freuen würden, wenn ich mich noch ein wenig bewege.

Mist – Halbzeit echt schon vorbei?!

Es gibt doch eine Menge wofür es sich dann lohnt noch ein wenig weiter zu machen. Das hat sehr geholfen – danke an euch alle.

Done.

Für alle gleich!

Kurzmitteilung

Es ist ein sehr beruhigendes Gefühl. Selbst wenn einem die eigene Situation im Augenblick des Erlebens etwas unpässlich erscheint – es ist doch alles ok. Man ist nie allein damit – es ist doch am Ende für alle gleich.

Sicher ist es unangenehm wenn einem zum Beispiel stundenlang Wasser in die Laufschuhe läuft und man merkt, wie sich die eigenen Füße langsam auflösen – aber das geht doch allen so. Vielleicht die Schuhe zwischendrin mal ausschütten?

Sicher ist es mies wenn man 24 Stunden unterwegs ist und sich nach einer langen und harten Nacht langsam ein viel zu warmer und sonniger Tag ankündigt – wie alle anderen auch sollte man dann einfach mal was trinken. Die anderen müssen ja schließlich auch noch durch die nächsten 12 Stunden.

Klar kann man sich wünschen es wäre 24 h später, sonnig und 20 Grad wärmer wenn man im eiskalten Novemberregen durch die einsamen und tiefschwarzen niederländischen Militär- und Naturschutzgebiete läuft. Nachts. Aber alle anderen stehen das ja auch durch.

Natürlich ist der Campingstuhl am VP das Paradies. Wenn all die anderen aber nicht aufgestanden wären und weitergemacht hätten, wär der Stuhl überhaupt nicht frei geworden. Alles hängt dann doch irgendwie zusammen.

Auch wenn es ein komisches Gefühl bleibt den Wecker auf irgendwas zwischen 02:00 und 05:00 Uhr am Morgen zu stellen um eben kurz irgendwas mit Laufen zu machen – alle anderen müssen auch früh raus. Kein Grund zur Klage.

Man kann sich so oft man mag wünschen: “Ein anderer Ort, ein anderer Mensch und ein anderes Leben”, viel hilft es aber nicht. So sicher man sich auch mit dem ‘anderen Leben’ zu sein scheint, der Kampf mit sich selbst bleibt und spielt im Hier und Jetzt. So ernst die äußeren und inneren Zustände auch zu sein scheinen, der einzige Weg zum inneren Frieden führt mitten durch und meist über die Ziellinie.

Auf, auf – die anderen beschweren sich doch auch nicht. Denn auch sie wissen: es ist für alle gleich. Sich schwer atmend in Embryostellung auf den Boden zu werfen und irgendwas zu faseln hat noch Niemandem einen Vorteil gebracht. Auch wenn es noch so verlockend erscheint.

About Running

Mit der Zeit verändert sich der Blick auf das Laufen.

Langsam verblassen in der Erinnerung die bangen Stunden vor den ersten langen Distanzen; die Sorgen um das “ist es überhaupt möglich”, um das “an was muss ich alles denken”. Das bedeutet keinesfalls, dass eine saubere Planung für manche Touren nicht auch heute noch essentiell ist und mit viel Sorgfalt begangen wird. Aber es ist weniger hektisch. Die Handgriffe sind routiniert. Der Schrecken der durch äußere Unwägbarkeiten oder individuelle Fehler schnell präsent sein kann, hat etwas an Kraft verloren.

Es ist beim Laufen ein Tempo (wenn auch ein eher gemütliches) und eine Einstellung gefunden, die ein Gegengewicht zu dem körperlichen und seelischen Stress bildet, der mit einem sehr langen Lauf zwangsläufig einhergeht. Zumindest bis zu einem gewissen Grad. In diesem Wohlfühlbereich lassen sich auch lange Distanzen laufen, ohne weit über die gefühlten körperlichen Grenzen gehen zu müssen. Die Regenerationszeit verkürzt sich auf ein Minimum verglichen mit dem, was früher zu erdulden war. Der Tag nach einem 100 km-Lauf ist vom Gefühl her meist schon wieder laufbar. Auch wenn der Drang danach nicht zu groß ist – die seelische Erschöpfung ist nach wie vor vorhanden.

Laufen auf den langen Strecken bleibt ein Bewegen zwischen den Welten. Obwohl manche Distanzen zu Beginn unfassbar weit und unerreichbar scheinen – so ist doch auch irgendwo im Hinterkopf die Gewissheit, dass es gehen könnte. Obwohl die Nächte noch immer endlos sind, wächst ein Vertrauen, dass doch sehr oft die Sonne tatsächlich wieder aufgehen könnte. Es klappt nicht jedes Mal, aber es hat dann doch auch schon einige Male geklappt.

Das Erreichen des Ziels bei lange Laufen ist und bleibt ein Drahtseilakt. Man ist doch immer ein Stück gefangen zwischen guten und schlechten Tagen, guten und schlechten Strategien und Entscheidungen – sowohl in der Vorbereitung als auch im Rennen selbst. Wenn man sich aber für einen Moment auf den Boden legt (wörtlich nehmen sollte man dies nur bei Läufen im Sommer – besonders hervorragend funktioniert dies mit guten Freunden auf dem Külf beim STUNT100) und sich dieses Seil etwas genauer anschaut so sieht man, dass es tatsächlich nicht mehr so dünn erscheint wie es zweifelsohne am Anfang der ganzen Lauferei mal erschien. Es ist zusammengesetzt aus vielen kleinen Fasern, die helfen können Vertrauen in die eigene Kraft und das eigene Leistungsvermögen aufzubauen. Es scheint fast mit jedem absolvierten Balanceakt ein wenig stabiler zu werden. Jede positiv getroffene Entscheidung stärkt, jede negative Situation hilft in mindestens gleichen Maße für die Zukunft. Viel mehr als bei kürzeren Distanzen hilft die so gesammelte Erfahrung und macht zu einem nicht zu unterschätzenden Teil in den entscheidenden Momenten den Unterschied zwischen Scheitern und Ankommen aus.

Viele Ultraläufer berichten vom endlosen Glück, welches hinter dem Schmerz liegt. Von purer Freiheit und dem reinen Flow nach der absoluten Erschöpfung. Davon, dass es ab einem bestimmten Zeitpunkt einfach wieder möglich ist, es laufen zu lassen. Diesen Punkt hat der Pfadsucher noch nicht wirklich gesehen. Vielleicht kommt der Moment eines Tages. Und falls nicht, so tröstet die Gewissheit, dass selbst die längste und schwerste Nacht irgendwann einmal weichen muss und dass der Morgen danach umso schöner sein wird.

Version 2

“The day you stop racing, is the day you win the race” Bob Marley

die kleinen Dinge // Entscheidungen

Als ich vor ein paar Tagen Margittas “die kleinen Dinge” las, dachte ich mir direkt – da kann ich mich gut reinversetzen und anschließen. Da mir die Kommentarfunktion als zu beengend erschien – kommt hier die “freiere” und längere Reaktion.

Es sind die Steine unter den Füßen, rund, spitz, eckig oder wackelig;

das Geräusch der knackenden Äste unter den Schuhen mal kaum wahrnehmbar, mal laut wie ein Schuss;

das leise Geräusch des Wassers, noch verborgen vor den Augen;

das knarrende Reiben der Äste am Stamm des Nachbarbaums;

die schmerzend kalte Winterluft in den Lungen, die mehr Leben zu spenden vermag als alles andere;

das nasse Gras der taugetränkten unendlichen Wiesen, welches sich um die Füße schlingt;

die Sonnen- und Schattenspiele der Blätter auf dem Waldboden;

diese Stellen auf der Laufstrecke die immer etwas mehr Wärme gespeichert haben als die Umgebung und so warme Inseln bilden am kühlen Abend;

es sind so normale Dinge, die doch oft so kostbar erscheinen.

Eng verknüpft mit der Magie dieser kleinen Dinge ist das Netz an Momenten und Entscheidungen, die jeden Lauf und auch jeden Schritt zu etwas Wichtigem machen und entscheidend sind für die Zukunft des Laufs. Auch diese Momente und Entscheidungen sind es die unendlich klein wirken können, aber unendlich große Folgen haben können. Ein paar Beispiele mögen sein:

  • der Stein im Schuh. Aber die Socken sind nass, die Hände seit Kilometern eingefroren. Es würde unendlich lange dauern überhaupt die Schnürsenkel zu öffnen. Wo sind die überhaupt zwischen all dem Schlamm. Was tun. Blutende Füße oder dreckige und schmerzende Hände. Und der nächste Stein wartet doch bestimmt schon. All die verlorenen Minuten.
  • der Blick ins Herz. An einem VP, unterwegs, beim Überholen, beim überholt werden. Gerade auf längeren Strecken ist der Blick in die Augen auch oft der Blick ins Herz. Man sieht die Schmerzen, den Kampf, die Erschöpfung und das Verlangen das es bald endet fast noch stärker als die Freude, die überschäumende Energie und die Unbesiegbarkeit. Da hilft dann oft:
  • das Lächeln. Es kostet manchmal ein wenig Kraft es auf die Lippen zu legen, hilft aber dann sofort einem selbst, wie auch den anderen in der Umgebung. Ein Lächeln, das die Schmerzen vergessen lässt, dass die Zeit etwas schneller vergehen lässt, das noch mal ein wenig Adrenalin und damit Leben in den Körper schickt, das das Laufen an sich wieder für eine Zeit lang leichter werden lässt.

Jeder Lauf, jedes Training, jeder Wettkampf bleibt eine Gleichung aus den guten und den schlechten Entscheidungen. Die Energie die aufgebracht werden muss um Fehler zu korrigieren verschlechtert das Ergebnis. Die positive Energie die aus den guten Entscheidungen entspringt verleiht die Flügel. Wenn man sich dabei nicht zu weit ober- bzw. unterhalb seiner Erwartungen, Ziele und Träume bewegt, läuft vieles richtig. Eines darf man dabei aber nie vergessen: Augen auf. Die kleinen Wunder rechts und links am Weg bleiben der wahre Schatz und das, was letztlich in Erinnerung bleiben wird.