Das Ding heisst Supermarathon. Super ist der Marathon tatsächlich, aber irgendwie hat da jemand beim Vermessen der Strecke richtig gepennt. Der Tag begann eiskalt in Eisenach. Ich hatte das Glück der Vollbetreuung durch meine Schwester (3:15 Aufstehen, Hinbringen, Betreuung bis Einschließlich Startschuss und Abholen am Zielort) und so konnte ich alles sehr entspannt über mich ergehen lassen. Also Nummer holen und dann mit 2000 anderen Läufern auf dem Marktplatz in Eisenach den Hubschrauber beobachten, der das Spektakel aufzeichnet (interessiert vermutlich niemanden so wirklich).
Pünktlich um 6 gehts dann los. Ich stand im hinteren Drittel des Feldes und so waren die ersten Kilometer absolut überfüllt. Was direkt aufgefallen ist, ist die Gelassenheit der Mitläufer. Keiner hats eilig, alle erzählen allen anderen, dass es bald besser wird. Wirklich besser fühlt es sich erstmal nicht an (es geht merkwürdigerweise nur hoch und ist immer noch richtig kalt) aber nach 10 km hat es sich alles etwas auseinander gezogen. Dadurch, dass das Vorwärtskommen am Anfang etwas erschwert war ist der Schnitt auf der Garmin weit über 8 min/km und ich frage mich schon ob ich wohl noch im Hellen ankomme. Zur Kälte gesellt sich ein hartnäckiger Nebel, der auf dem Inselberg (km 25) recht drastische Formen annimmt. Das erste Drittel ist also geschafft und ich fühle mich immer noch nicht richtig in Laufstimmung – die Beine fühlen sich richtig träge an. Was solls: Weiterlaufen ist angesagt – hilft ja nix.
Die Verpflegung ist exzellent und die Verpflegungsstellen super betreut. Früh beschließe ich mich auf Schmalzbrote mit extra Salz festzulegen. Auf viel Durcheinander verzichte ich bewusst. Einmal gab es noch Gurke mit Kräutersalz (top)! Dazu am Anfang nur Wasser, ab km 45 Wasser und Cola, am Ende nur noch Cola und irgendwas zitroniges und erfrischendes. Kein Schleim, keine Wiener Würstchen, kein Gel, kein Tee, kein Bier, keine Experimente. Die Strecke an sich ist schnell beschrieben: grün, baumreich mit machmal fantastischer Aussicht und durchaus bergig. Da ich schön langsam losgelaufen war, dachte ich: mach ich doch einfach so weiter. Jeder Anstieg wird konsequent gegangen und insgesamt ein Durchschnittstempo von ca. 7:10 (inkl. aller Verpflegungen) gehalten. Und siehe da: km 30 kommt und die Beine fühlen sich besser an, der Nebel ist weg und es wird wärmer. Km 37,5 – Halbzeit. Der Sprecher am Verpflegungsstand erzählt davon das der 1. Läufer vor gut 2 Stunden hier durchgekommen sein soll. Er ist wohl der Einzige, den das interessiert. Es läuft immer besser – ich hoffe das das Hoch nicht zu früh da ist bzw. nicht allzu bald wieder geht.
Km 40, km 45, km 50 und das wirklich Erstaunlich ist: ich fühle mich richtig gut. Km 54 Grenzadler. Auf einmal lichtet sich der Wald und es geht steil eine Wiese hinab und der Zielbogen ist zu sehen. Die Freude ist nur kurz: alle um mich rum laufen dran vorbei und ich schließe mich schweren Herzens an. An der Verpflegung Brühe versucht, für schlecht befunden und wieder auf Schmalzbrote umgestiegen. Kurz überlege ich ob ich nicht doch mal Biathlon versuchen soll, jetzt wo ich schonmal hier bin, laufe dann aber doch wieder hoch in den Wald. Ein Schild mit der Angabe KM 2 verwirrt kurz (die Erkenntnis, dass es sich hierbei um die Kilometrierung der HM Strecke handeln muss, folgt bald).
An der Getränkestelle bei km 58 kurz ein Schwätzchen mit dem Typen von dem Stand mit dem zitronigen Etwas. Er sagt mir: ich wäre der entspannteste und fröhlichste Läufer der bisher vorbeigekommen wäre. Ich sage ihm: die Sonne scheint doch, also warum groß grämen. Ich bedanke mich für die Verpflegung und mache mich auf die letzten 15. Einmal noch hoch (am höchsten Punkt haben die Übermütigen doch tatsächlich einen Haufen Schnee platziert, der fröhlich vor sich hin schmilzt) und dann in Wellen bergab. Es läuft immer noch den Umständen entsprechend großartig, auch wenn es so langsam mal zu Ende sein könnte. Noch 10. Ich denke mir immer wieder, dass die letzten 10 km sich perfekt für einen Wettkampf nach dem Motto: „unter Garantie zur Bestzeit“ nutzen lassen würden. Die bald schon viel drängendere Frage: haben die das 70 km Schild vergessen? So langsam schmerzen die Beine. Es bietet sich ein surreales Bild: die Unterhaltungen sind längst verstummt, alle blicken verzweifelt nach vorne und laufen oder gehen wie Roboter. Alle wollen das Gleiche und doch ist jeder so allein im Kampf mit sich selbst.
Ahhhh, da ist ja das 70 km Schild. So langsam macht sich die Gewissheit breit: heute wird tatsächlich gefinisht. Dann geht alles ganz schnell: 71, 72, Zielgerade – fertig. 8:41:12. Soll reichen. Wirklich ein super Marathon. Ein fader Beigeschmack bleibt dennoch: im Kleiderbeutel ist eine Broschüre der DUV, die aus irgendeinem Grund behauptet ich gehöre jetzt zu denen. Verrückt!
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