Nichts Menschliches ist mir fremd – Seilersee ´17

4 Stühle, 2 Tische, 5 Taschen und ein Zelt. Das war die Basis. Supportet von zwei Autos auf dem Parkplatz. Es war wieder Zeit für die 24h am Seilersee. Warum genau zurückkehren zu einem 24h Lauf ? Dafür gibt es einige gute Gründe und ein paar davon haben direkt mit der Organisation und dem Charakter der Veranstaltung in Iserlohn zu tun. Daher vorab: ein großes Lob an alle Organisatoren, Sponsoren und Helfer am Seilersee. Die Verpflegung, die Beleuchtung, die lieben Helfer, das Massagezelt… – ihr habt euch zurecht einen Kultstatus unter den Läufern erworben. Danke für den unermüdlichen Einsatz für uns Gäste.

Auf der Hinfahrt von Aachen nach Iserlohn noch schnell den letztes Wochenende beim Kölnpfad-Teilstück-Erkundungslauf kennen gelernten neuen Lauffreund in Köln aufgegabelt und in Iserlohn direkt wie vorher verabredet mit dem Dürener Chaos Ultra Team zusammengetroffen, gehörten zu den oben aufgezählten Gegenständen also genau 5 Läufer. Ein solch gemeinsamer Anlaufpunkt bei einem Rundenevent ist so etwas wie ein kleines Zuhause und obwohl wir in einer noch nie dagewesenen Konstellation zusammen “wohnten” funktionierte die WG sehr gut. Überhaupt ist die “Zeltstadt Iserlohn” ein sehr schöner und lebendiger Familientreffpunkt. Wenn nur nicht diese Lauferei auf dem Weg immer beim Quatschen und Grillen stören würde…

Der Pfadsucher kam mit dem eigentlich ungeliebten Format des Eintageslaufs gut zurecht. Besser als die Umstände und die Erfahrungen der Vergangenheit es hätten erahnen lassen. Es bleibt eine immense Herausforderung für den Körper und eine teils unlösbar erscheinende Aufgabe für den Kopf. Und doch ist es jetzt nach Iserlohn ok. Das Format ist verstanden und der Friede ist gemacht. Das hat weder mit guten Leistungen zu tun, noch bedeutet das etwas für die Zukunft – aber ein wenig des Schreckens ist verloren gegangen. Taktikten wurden erprobt die es einfacher machen, Gedanken gedacht die genug Ablenkung bringen.

Besonders in Erinnerung werden das Wiedersehen mit all den Freunden, das Kennenlernen von neuen Läufern, die unzähligen Unterhaltungen und die geteilte Einsamkeit auf der langen Runde in Iserlohn bleiben. Zu hören, wie die Siegerin sich ihr Rennen eingeteilt hat und welche Strategien sie dabei nutzt und trainiert, wie der Viertplatzierte den für ihn ungünstigen Rennverlauf verarbeitet hat und dabei am Ende wieder lachend an der Strecke stand und die Sonntagsmorgensspaziergänger, die partout nicht glauben wollten, dass es ernsthaft Läufer gibt die alleine 24h laufen – es waren schöne Stunden dort am See.

Wenn man uns fünf ergebnistechnisch zusammenfassen mag so nutzten wir mit den Plätzen 3, 5, 15, 60 und ca. 130 die Bandbreite an Möglichkeiten gut aus. Allerdings ist dies immer vor dem Hintergrund der unterschiedlichen persönlichen Zielsetzungen zu betrachten und auch tatsächlich nicht weiter wichtig. All die anderen genannten Gründe machen einen Aufenthalt in Iserlohn immer zu einem Erlebnis.

Was den Pfadsucher betrifft so lehrt das 24h Laufen vor allem Respekt und Demut – vor der eigenen Leistung und vor der Leistung der Freunde. Und es gab wirklich großen Sport zu sehen und wirklich spannende Entscheidungen zu erleben. Auf dieser Strecke die wohl nur von einem Profi (der Siegerin) als “abwechslungsreich” beschrieben werden darf (wer über 120 Mal die Runde gedreht hat muss einfach Recht haben).

Die angekündigte, erlaufene Spende des Pfadsuchers wird auf eine gerade Summe aufgerundet und geht heute raus an Peter.

(T)raumzeit again. Seilersee 2017.

Wenn man zwei Stunden lang mit einem Mädchen zusammensitzt, meint man, es wäre eine Minute. Sitzt man jedoch eine Minute auf einem heißen Ofen, meint man, es wären zwei Stunden. Das ist Relativität.

A. Einstein

Die ersten sechs Stunden ist es ein Lauf.

Die nächsten sechs Stunden ist der Moment des ersten Hochs gefolgt von einem zähen Ringen.

Die dritten sechs Stunden entscheiden über alles. Hauptsächlich über Sieg und Niederlage, aber eigentlich über Gut und Böse. Der Ofen auf dem man sitzt ist jedenfalls knalleheiß.

Die letzten sechs Stunden beginnen mit schierem Sein. Gefolgt von Hoffnung. Wachsendem Glück. Bis zu dem Punkt an dem man zu wenig Zeit hat weil es wieder läuft.

Und dann ist es vorbei.


Verfolgt das Geschehen unter: http://my.raceresult.com/53501/results?lang=de

Tut Gutes: hier entlang!

24h Iserlohn Seilersee – für die Kids!

In ziemlich genau 168 Stunden starten die 24h am Seilersee in Iserlohn. Auf einem der letzten Läufe kam mir die Idee, mich noch etwas zusätzlich zu motivieren und dabei noch etwas Gutes zu tun. Peter Borsdorff ist seit vielen Jahren in der Region Düren unterwegs um mit seiner Aktion “Running for Kids” Spenden zu sammeln um Kindern in der Region die es gut gebrauchen können damit etwas Gutes zu tun. Vor ein paar Tagen hat er die Aktion “Happy Ferientag” gestartet. Find ich eine super Idee. Und passt gut als Motto für einen 24h-Lauf.

Für jede Runde (knapp 1,8 km) die ich in Iserlohn laufe gehen 20 Cent an Peter für die Ferientag Aktion. Für jede Runde die der VPsucher läuft leg ich nochmal 20 Cent drauf. Kleinvieh macht ja bekanntlich auch Mist!

Mag noch wer einsteigen? Könnt ihr ja hier über die Kommentare kundtun. Ihr könnt Peter natürlich auch gern direkt unterstützen. Unter den Links oben findet ihr die entsprechenden Kontonummern. Seid euch sicher, dass das Geld ankommt.

Meine bleibendsten Erinnerungen an Peter sind die folgenden zwei:

  • Wie er mir nach dem Vennlauf in Mützenich im Ziel mal nach einer Unterhaltung über mein Laufprogramm gesagt hat: “Eine Woche nach einem langen Lauf läuft man keinen schnelleren Halbmarathon”. 🙂 Recht hatte er. Irgendwie geht mir das nicht aus dem Kopf und bei jeder “dummen” Laufaktion seitdem muss ich immer denken: Oh oh – was würd Peter wohl dazu sagen…
  • Dazu kommt noch sein wie immer brillianter VP beim Monschau Ultramarathon. 2016 war er für mich aufgrund unserer etwas längeren Anreise im Kopf lange das eigentliche Ziel. Ich wusste, wenn ich es bis dahin geschafft habe, gehen die letzten 14 km auch noch. Und dann auch noch die perfekte Verpflegung…

Lauf weiter für die Kids, Peter!

Ein Tag am See

Eine paar Gedankenspiele vom Pfadsucher während des 24 h Laufs in Iserlohn.

Es bleibt dabei: über einen Tag zu sagen, dass er entweder Freund oder Lehrer sein kann, lässt völlig außer Acht, dass die wirklich guten Tage beides sind. Von Freunden lernt es sich eben doch am Besten und das Erlernte wird nicht mehr so schnell vergessen.

Die Digitalanzeige 24:00:00 hatte doch auf den ersten Blick etwas Bedrohliches. Zu unvorstellbar ist die Tatsache, wie lang der Zeitraum doch ist, der zum Laufen zur Verfügung steht. Ein Tag. Trotz allem Respekt dieser Anzeige gegenüber, die das Leben die nächsten Momente beherrschen soll, so hat sie doch auch etwas Tröstliches. Jede Runde wird ein wenig Zeit vergangen sein und egal was auch passiert – es wird dieser eine Moment kommen, an dem sie stehen bleibt. Dieser Moment wo alle stehen bleiben dürfen. Letztlich liegt es an einem selbst, wie der Tag wird. Das erste Mal auf einer so kurzen Runde unterwegs zu sein, hatte auch etwas sehr Interessantes. Einerseits schien es mir im ersten Moment etwas hinderlich für den Kopf, so viele Runden laufen zu müssen, andererseits wurde es mit fortschreitender Dauer des Laufes immer tröstlicher und angenehmer „zurück“ zu kommen. Die Uhr zu sehen, einen kurzen Blick auf den Bildschirm mit den Zwischenergebnissen zu werfen, sich kurz zu wundern das der eigene Name dort aufleuchtet, all die lieb gewonnenen Leute und Begebenheiten am Rand zu genießen, zu wissen: alles ist in bester Ordnung und dann auf die nächste Runde abzubiegen.

Was sich sehr viele fragen: wie bekommt man das hin mit dem Kopf? Für mich war diese Frage auch während meines ersten 24h-Laufs in Arnsberg zu schwer. Irgendwann war Schluss im Kopf. Auch wenn ich damals nach einer Pause von ein paar Stunden wieder aufgestanden bin um die 100 voll zu machen – zugehörig zum Lauf habe ich mich nicht mehr gefühlt. Er war für mich von einem 24h-Lauf zu einem 100 km Lauf geworden. Dieses Mal sollte das anders werden. Wurde es auch, nur war der Weg dahin vom Kopf her schwerer als gedacht. Der tote Punkt kam auch diesmal verlässlich nach knapp der Hälfte der Zeit. Das Verlangen Pause zu machen war übermächtig. Die Fragen: Warum legst du dich nicht hin – du hast doch fast 100 km? Warum tust du dir das an? Ist es überhaupt in irgendeiner Weise für irgendwen von Belang, was du hier tust? Offensichtlich nicht. Oder doch? Für mich war es in dem Moment noch nicht ganz klar, aber ich begann zu ahnen, dass es doch jemanden geben könnte für den das relevant ist. Auf dem Weg dahin das zu verstehen, quälte ich mich nach einer guten Stunde aus dem wunderbar warmen Schlafsack und auf die eiskalte Strecke. Zeit für Musik auf den Ohren und alleine sein. Dieses Zurückziehen vom Geschehen rundherum half zunächst gut. Es lief wieder richtig gut. Fast zu gut. Ein paar ordentliche Runden später war es wieder vorbei mit der Herrlichkeit. Das ein paar schwierige Momenten kommen hatte ich mir gedacht, dass sie so schnell aufeinander folgen würden, hat mich überrascht.

Die nächste Pause im Zelt wurde nötig. Wo bleibt nur Sinn? Ca. 108 km sind doch wirklich genug, oder? Es ist nicht schlimm jetzt einfach liegen zu bleiben, oder? Knapp 7 Stunden vor Schluss und nach einer Stunde Ruhe, wieder raus aus dem Zelt. Warum? Schwer zu sagen. Nochmal Musik auf die Ohren. Gehen, Traben, Laufen. Volle Konzentration auf das Jetzt und den Moment. Noch ein Schritt und noch einer. Dann war es auf einmal wieder richtig hell draußen. Langsam fiel es wieder leichter mit dem Geschehen in Kontakt zu treten, sich zugehörig zu fühlen. Nochmal so etwas wie einen Rhythmus finden für die letzten Stunden. Die Uhr wurde immer mehr zum Freund. Es waren nun vorstellbare Zeitabschnitte abgebildet. Die Unterstützung von allen Seiten war super und ich konnte es nach einer langen und vom Kopf her komplizierten Nacht auch wieder genießen. Das war die Befreiung. Die Rückkehr der Leichtigkeit zu einem Moment, wo der Körper schon maximal erschöpft ist. Beeindruckendes Gefühl. Von Runde zu Runde denken. Unvorstellbar, aber es wurde zum Genuss eine neue Runde zu beginnen und jedes Mal eine größere Belohnung über die Zeitnahme zu laufen. Endlich war das Gefühl da, von dem viel gesprochen wird. Der Moment wo eine gewisse Distanz zu all den Fragen erreicht ist. Die Fragen und Zweifel sind zwar noch da, aber sie stören nicht mehr. Es ist ok, dass manche Sachen unvorstellbar bleiben. Es ist ok, dass es bei einem Stundenlauf nichts zu gewinnen gibt, dass kein offensichtliches und greifbares Ziel vorhanden ist. Es geht um den Sieg über sich selbst. Auch wenn der Weg dorthin schwer ist. Auch wenn es Menschen mit Mägen aus Stahl und Köpfen ohne lästige Fragen gibt, die einen immer wieder fröhlich überrunden – es bleibt ein großer Zusammenhalt untereinander. Die Energie die man hat, wird zur Unterstützung der Mitläufer und Helfer verwendet. Und wird direkt erwidert. Wenn man sich in die Augen blickt, braucht es keine Worte mehr. Immer weiter. Jeder allein und doch alle auf eine wunderbare Art und Weise zusammen gegen und mit der Zeit die noch auf dieser Uhr steht.

Die Ruhe und Dankbarkeit der letzten zwei Stunden war dann unbezahlbar und wird mich noch lange tragen. Alles war gut. Ich war in Bewegung. Die Unterstützung war groß und der Spaß war endgültig zurück. Sollte es wirklich schon so bald vorbei sein? Es ist doch alles so schön in Bewegung gerade. In meiner vermeintlich letzten Runde lief ich auf Wilma auf, die zu diesem Zeitpunkt schon über 200 km in den Beinen und das Rennen der Frauen auch sicher gewonnen hatte. Die letzten 23 Stunden und 30 Minuten hatten wir uns immer wieder aufmunternde Worte zugerufen. Obwohl sie zwei ihrer Ziele in diesem Lauf zu diesem Zeitpunkt schon sicher verfehlt hatte, sprühte sie vor guter Laune und vor Energie. Trotz allem glücklich und zufrieden, absolut im Reinen mit sich selbst und ihrer Leistung. Wir liefen die Runde zusammen zu Ende und mir war bewusst, dass nur noch wenige Minuten bleiben würden, bevor die Uhr dann schließlich stehen bleiben sollte. Mein eigentlicher Plan war nach der Runde aufzuhören um nicht auf die Restmetervermessung warten zu müssen. „Läufst du weiter?“ hab ich Wilma gefragt: „Natürlich, komm mit“. Wie selbstverständlich. Es ist doch gerade so schön zu laufen, lass uns die letzten 8 einhalb Minuten noch auskosten. Tun, wofür wir gekommen waren. Wilma erhöhte das Tempo und rief mir zu, ich solle doch ja bei ihr bleiben jetzt. Aufhören bevor die Uhr aufhört zu schlagen – kommt gar nicht in Frage. Warum auch? „Jeder Meter zählt“. Und so „rannten“ wir in den guten 8 Minuten noch fast 1,5 km. Etwas, was unmöglich ist. Bis wir es gemacht haben. Der Moment wo wir das Stoppsignal hörten, stehen blieben und zusammen auf die Restmetervermessung gewartet haben, war wunderbar. Es ist klar: es macht Sinn immer weiter zu laufen. Die Person für die das alles doch eine Bedeutung hat, ist man selbst. Die Belohnung dafür waren nicht die paar Kilometer, die in der Zeit noch zusammen kamen, es war etwas ganz anderes. Und plötzlich geht man zurück zum Zelt und es ist vorbei. Die große Ruhe nach dem Sturm, die Befreiung und die Zufriedenheit, doch alles richtig zu machen. Es gibt ihn diesen Moment, wo Unmögliches möglich wird und man kann sich selbst schlagen um sich näher zu kommen und dabei alles zu gewinnen.

Ein letzter Blick auf die Uhr: aus. Irgendwie doch schade. Abschied nehmen vom Freund und Lehrer. Wer weiß, vielleicht sieht man sich ja mal wieder.