JUNUT 239 2025

„Jetzt ist eh alles zu spät“

Mein erster Start beim Jurasteig Nonstop Ultratrail (JUNUT) im Jahr 2022 wurde vom Renn-Abbruch überschattet. Damit war das Erlebnis JUNUT schon vorbei, bevor es überhaupt begonnen hatte. Die Phase vor dem Start und auch die ersten Kilometer sind meist geprägt vom üblichen Hick-Hack und der Aufregung sowohl unter den Teilnehmenden als auch in der Crew.

Die Chance den JUNUT in vollem Umfang zu genießen, bot sich dann dieses Jahr. Der Rennkalender einigermaßen voll und der JUNUT nur 32 Tage nach dem Finish des LegendsTrails war ein bewusst eingegangenes Risiko; aber da beim JUNUT nie ganz klar ist ob und wann es ihn nochmal geben wird fiel die Entscheidung zur Anmeldung. Dazu kommt die Tatsache, dass für mich angefangene und nicht zu Ende gebrachte Dinge einfach maximal nervig sind. Einmal den JUNUT laufen wollte ich schon – hatte ich doch viel Gutes gehört – zugleich wollte ich die Chance nicht verpassen die eher mäßigen Eindrücke aus 2022 durch positivere zu ersetzen.

Der JUNUT als Nonstop Laufveranstaltung folgt bis auf wenige Abweichungen wegen der Verpflegungsstellen komplett dem Jurasteig – einem 237 km langem Rundwanderweg in Bayern der „den Umfang und das Ausmaß der Oberpfälzer Alb in seiner Kompaktheit nahezu zusammenfassend nachzeichnet“.

Also am Donnerstag den 03.04. das Auto früh morgens vollgepackt, noch ein paar Stunden arbeiten und dann nach den 550 km Anreise schnell einschreiben, dem Briefing lauschen und die Pasta genießen. Mit generell sehr wenig Kontakt zur deutschen Ultralauf-Szene war eine spannende Frage welche Menschen ich dort wohl wiedersehen bzw. neu kennenlernen würde. Als Teil der 1100 Startwelle ging es dann am 04.04. endlich auf die Strecke. Ein Abbruch wegen Wetter stand nicht zu befürchten – wir hatten Kaiserwetter. Tagsüber stiegen die Temperaturen teils über 20 Grad, was mehr und mehr zu einem unangenehmen Faktor wurde. Da mir die ersten 50 km eh bekannt waren galt die Konzentration also eher dem Management des Flüssigkeits-/Salzhaushaltes. Ein paar erste Gespräche mit Mitläufern und einige geteilte Kilometer ließen diesen ersten Abschnitt recht schnell vorüber gehen. Das Tempo war mit 7h für die ersten 50 km recht hoch für meine Verhältnisse.

Auf dem Abschnitt zwischen km 50 und 78 habe ich das Tempo dann versucht deutlich zu verlangsamen um nicht aus dem warmen Tag mit großen Problemen in die Nacht zu gehen. Endlich wurde es auch kühler und dunkler. Der VP3 in Matting (km 78) war voll mit Läufern. Ungünstige Zeit erwischt, aber so ist das manchmal. Kurz nachfüllen aus dem Dropback, ein wenig essen und dann das erste mal wärmer einpacken für die Überfahrt über die Donau mit dem Boot der Feuerwehr. Direkt nach dem VP wurde es dabei richtig ungemütlich kalt – der Lauf startete also so langsam in die etwas interessanteren Phasen. Zu zweit unterwegs entfaltete sich kurz nach der Überfahrt auch die Magie der Langdistanz. In einem Anstieg schlossen wir zu zwei weiteren Läufern (1x JUNUT104, 1x JUNUT170) auf und es war ein Match von der ersten Sekunde an. Herzhaft wurde gelacht, leise wurde geschwiegen, Lebensgeschichten wurden ausgetauscht und die Gemeinschaft genossen. Sehr hilfreich, gerade nachts. Bis KM104 harmonierte das so gut, dass wir beschlossen anschließend zu dritt weiterzumachen und daher am VP aufeinander zu warten. Am Ende hat diese Gemeinschaft bis nach Sonnenaufgang und ein gutes Stück in den neuen Tag gehalten – verschiedene persönliche Gründe ließen unseren JUNUT170 Läufer die Flucht nach vorne antreten. 

Auch der Samstag wurde wieder gefühlt zu warm für die Langdistanz – also Tempo raus und aufpassen. Irgendwie fühlte es sich richtig an weiter zu zweit zu bleiben anstatt alleine zu laufen und so wurden ruhig und fokussiert die Kilometer gefressen bis in den nächsten Abend hinein. Die zweite Nacht wurde als sehr kalt angekündigt und hat dieses Versprechen auch voll eingelöst. Da die letzten Dropback Station bei KM 202 war, war kurz die Frage nach der richtigen Kleidungsauswahl relevant. Im Rucksack waren zwar immer noch zusätzlichen Lagen für den Oberkörper, aber ich hatte mich dazu entschlossen die kurze Hose anzubehalten und die längeren Hosen im Dropback zu belassen. Es wurde also etwas kühl untenrum, ließ sich aber noch aushalten. Bei KM 202 habe ich dann eine etwas längere Pause gemacht und etwas geschlafen (INDOOR!!!) – sehr zum Unmut der zweiten Hälfte unseres Duos. Danke für die Nachsicht und Geduld zu diesem Zeitpunkt. Mit weniger als 38 km bis ins Ziel war dieses schon am Horizont – und doch sollten die letzten Stunden der zweiten Nacht eher quälend werden. Die Müdigkeit wurde ich nicht mehr wirklich los, dazu die Kälte – es war der einzige Moment im ganzen JUNUT wo ich wirklich gemerkt habe, dass das ein langer Lauf ist. Dazu kam, dass sich unsere Gemeinschaft nicht mehr richtig angefühlt hat. Zu unterschiedlich die Zustände zu diesem Zeitpunkt des Rennens, zu unterschiedlich die Bedürfnisse. Da keine Entscheidung immer die Schlechteste ist haben wir uns entschlossen uns zu trennen. Sich zu einem solchen Zeitpunkt zu entschließen allein weiterzuarbeiten war nicht einfach und doch sinnvoll. Mich hat gerettet, dass dann die Sonne endlich doch wieder aufgegangen ist. Kurz nach dem letzten VP und mit noch 13 km bis ins Ziel wurde es hell und damit besser mit den kleinen Unannehmlichkeiten. Die letzten Kilometer an diesem Sonntagmorgen waren eigenartig ruhig und leer – das Finish letztlich ein schöner, aber auch unspektakulärer Moment. Genau wie es sein soll. 45 Stunden und 46 Minuten nach dem Start war der JUNUT 2025 geschafft und damit Geschichte. Insgesamt eine erstaunlich solide Leistung unter den Voraussetzungen. Es gelingt immer mehr das eigentliche Laufen als selbstverständlich anzunehmen und so gleiten die Kilometer vorbei…

Am Ende bleibt ein sehr intensives Wochenende. Mit zunehmender Dauer hat der JUNUT genau das geboten was die Langdistanz für mich so auszeichnet. Das ist vor allem Ruhe und Gelassenheit bei Läufern und Crew. Trotz aller verständlicher Aufregung sind Hektik, Stress und laute Menschenmengen eher nicht das, was ich gerne um mich habe, beim langen Laufen. Aber die Nächte bringen meist Ruhe ins Rennen und so war es auch diesmal. Auch war es wie schon so oft so, dass sich zufällig die Läufer treffen, die auf einer Wellenlänge unterwegs sind. So war es auch diesmal. Ich kann mich nur herzlich dafür bedanken, dass wir (sei es als Duo, Trio oder Quartett) so viel gute Zeit auf dem JUNUT miteinander verbringen konnten. Erfahrung, Demut, Bodenständigkeit und Selbstständigkeit – es war alles da und der Humor passte obendrein. In solchen Gemeinschaften öffnet die Langdistanz dann die Herzen der Laufenden und es entstehen wundervolle Momente. Das hat mir viel von dem gegeben, was ich gehofft hatte zu finden und hat mich mit dem JUNUT versöhnt. Auch die Vernichtung der VP-Reste und der Pizza inkl. Bier in der Turnhalle am Sonntag Nachmittag/Abend war großartig. Diese Art von Gemeinschaft ist wunderbar. Pläne wurden geschmiedet, unsinnige Ideen eingetütet und neue Freundschaften verstärkt. Die Tage im Anschluss an den Lauf waren wie so oft nach intensiven Läufen geprägt vom Hang-Over. Mit Kopf und Herzen noch auf dem Steig/im Rennen ist die Rückkehr ins Leben immer eine Herausforderung.

Vielen Dank noch an das gesamte Helfer- und Orga-Team – es war die voraussichtlich letzte Ausgabe eines insgesamt sehr schönen Laufs. 

Für mich war es der 46. Lauf mit 100 Meilen. Jetzt geht es wieder zurück zu den privaten Aktionen – die nächsten 100 Meilen werden für den #lotrslam gelaufen: die wahren Laufmomente. Mit ein paar Freunden werden Autos ins nichts gestellt, die Uhren angeworfen und dann wird Strecke gemacht. Ab und an ein Supermarkt aber ansonsten frei und mit Menschen unterwegs die man sehr gut kennt.