Viel zu leicht

„There is no such thing as an easy day.“

David Horton // „Karl Meltzer: Made to be broken“

Das Leben stellt einem oft sehr komplexe Aufgaben. Aufgaben von denen viel abhängt und die wiederum mit sehr vielen anderen Dingen zusammenhängen. Ein großes komplexes Netz aus Möglichkeiten und Entscheidungen. Auch wenn es manchmal zu viel ist und die Last die es zu tragen gilt viel zu schwer erscheint – ganz entfliehen kann man diesem Netz dann doch nicht. Man kann sich darin verlieren und verfangen, aber doch gibt es meist mindestens einen der vielen Wege der dann doch am Hindernis vorbei führt oder  hilft die Hürde zu überspringen – einen Weg vorwärts.

Als ein wunderbarer Ausgleich für diese Anstrengungen wird sehr oft der Sport genannt. Und das völlig zu Recht. Die Last und der Stress können damit tatsächlich temporär verdrängt oder zumindest gelindert werden. Alles wird ruhiger und erscheint klarer. Selbst Lösungen für die Alltagsprobleme  mit denen man kämpft offenbaren sich dabei manchmal – wohl weil man etwas besser das Große und Ganze sehen kann in diesen Moment der sportlichen Freiheit.

Und dann passiert es. Die Vereinfachung hört nicht mehr auf. Mit jedem Schritt verschwinden immer mehr Probleme und negative Gedanken. Man kehrt vom Großen und Ganzen schließlich zu sich selbst zurück. Endgültig. Die Gedanken kreisen immer langsamer und man steuert auf einen wunderschön hässlichen Zustand der fast maximalen Freiheit von allen Gedanken und Optionen zu – bis man beim letzten Gedanken und der letzten Option angekommen ist. Der letzte Gedanken der bleibt ist: „weiter“ und die letzte Option die präsent bleibt ist: „aufgeben“. Leider sind das von allen anderen Gedanken und Optionen die gegangen sind die beiden trivialsten. Was die Sache noch weiter „vereinfacht“: es ist eine sehr intime Abwägung. Hilfe und Worte von aussen vermögen kaum noch Einfluss auf den Ausgang dieses Kampfes zwischen „weiter“ und „aufgeben“ zu nehmen. Nur zwei Optionen, beide ohne weitere Konsequenzen, und man selbst. So leicht es es selten.

An diesem Punkt trennen sich die starken Köpfe von den schwachen, die guten Läufer von den Zweiflern. Die unendlich schwere Aufgabe, als die die Streckenbewältigung am Anfang erschien, all die Konsequenzen der Entscheidungen auf dem bisherigen Weg, all die Organisation drumherum, das Kümmern um Mitläufer, Supporter und sich selbst, all der Stress um regelmäßiges Essen und Trinken, all die Blicke auf die Uhr, all die Rechnerein rund um die Limits – all das hat so unendlich viel an Relevanz verloren. Das was übrig bleibt erscheint sehr leicht zu sein. So leicht, dass auf einmal das Netz aus Optionen und Problemen fehlt in das man sich fallen lassen kann und welches immer noch einen Weg drumherum präsentiert. Dieses Netz, was am Ende doch Halt im Leben gibt. Ein Halt, der in diesen einsamen Momenten zwischen Ausscheiden aus dem in diesen Augenblicken sinn- und endlos erscheinenden Vor-sich-hin-geschleppe und dem Weiterkämpfen bis ins Ziel oft fehlt.

Am Ende ist Laufen also doch manchmal sehr leicht.

Viel zu leicht.

Es wird also Zeit für die nächste Runde wir gegen uns. Bring it on – in einer Woche gehts los.

„Und auch wenn’s draußen scheiße kalt ist
Und mein Ausblick die Wüste aus Asphalt ist
Das Beste was ich hab, ich halt es
Und denk noch lange nicht an, lange nicht an, lange nicht an
Und auch wenn es manchmal so ist
Dass ich kein Plan mehr hab was los ist
Die Angst vorm Fallen, viel zu groß ist
Ich denk noch lange nicht an, lange nicht an, lange nicht an Aufgeben
Noch lange nicht an Aufgeben, noch lange nicht an Aufgeben“

Curse feat. .fab // „Aufgeben“

Da ist doch noch was im Hintergrund zu erkennen?! Hm…

 

Vorwort

Laufen ist etwas Elegantes. Hat viel Anmut und Lebensfreude. Schlägt man das Internet, die Bücher oder auch die Hochglanzmagazine auf sieht man sie lächeln. Beim Laufen. Sie schweben über die Landschaften hinweg, bezwingen endlose Täler, die höchsten Höhen, die heißesten Wüsten und das ewige Eis. Sie brechen Geschwindigkeits- oder Weitenrekorde als sei es nichts. Wanderwege werden zu Rennstrecken, tausende Kilometer glänzen und strahlen in wunderbaren Dokumentationen. Die Kameras begleiten sie auf Schritt und Tritt und halten das Unmögliche fest. Zeigen auch kleinere Momente wo es mal nicht so läuft, aber dann kommen wieder Phasen, wo das Laufen zum Fliegen wird. Die letzten 100 Kilometer einfach weggelächelt werden. Sie durchlaufen die Zielbanner dieser Welt und freuen sich. Geben Interviews, küssen Felsen oder Füße von Statuen. Sie sind die Unbesiegbaren. Sie zeigen wie einfach es ist. Sie laufen und sie lächeln immerzu.

Es ist irgendwann im Mai 2016, irgendwo in Duisburg an einem Samstag Nachmittag um kurz vor 5 Uhr. Vor mir liegen 50 m Asphalt bis zur nächsten Kurve, 50 m hinter mir turnt der VPsucher mit unserem vielköpfigen Support-Team rum. Ich mache mir keine Illusionen – sie haben mich vorgehen lassen und hoffen, dass wir etwas voran kommen. Es ist das Ende. Ich kann nur noch in Abständen von 50 m denken. Jede Bank am Weg wird genutzt. Das Aufstehen wird immer schwerer und erscheint immer unnötiger. Vor allem mental ist das absolut über dem Machbaren. Es war ein schöner Lauf bis vor einigen Stunden die Erschöpfung zu schlug. Gestartet noch mit den Gedanken an den Zieleinlauf im Kopf und den treibenden Glücksgefühlen die damit verbunden waren in den Beinen ist es nach und nach zu einem Laufen um des Laufens Willen, einem Laufen für und mit der Crew, einem Laufen gegen die Erschöpfung und schließlich einem Lauf geben mich selbst geworden. Und die Erschöpfung hat dann doch gewonnen. Das gilt es zu akzeptieren. Und da ist es – ein Auto unseres Teams. Ich stolpere hin und lasse mich auf den Beifahrersitz fallen. Das wars. Genug ist genug und ich habe mir nichts vorzuwerfen. 156 km mehr oder weniger gelaufen – die 100 Meilen sollten nicht sein. Es ist zwar nicht sonderlich kalt, doch ich friere und alles schmerzt. Nach 23 Stunden unterwegs schließe ich die Augen.

Was ich genau in diesen Momenten (oder waren es Stunden) gedacht habe ist längst verdrängt. Aber wenn die Enttäuschung über die Aufgabe des Rennens schwächer ist als die Erschöpfung kommt es halt genau so. Viele ermunternde Dinge werden mir in diesem Moment erzählt – letzte Versuche mich zum Weitermachen zu bewegen. Die Crew und der VPsucher stehen nutzlos rum. Das wars dann also. Die Nummer von Jens steht ja auf unseren Armbändern. Anrufen und raus. Nichts leichter als das. Draussen wankt ein weiterer Läufer vorbei. Einer der 230-km-Startern. Sieht überhaupt nicht gut aus.

Ich öffne die Tür und stelle mich hin. Alles tut irgendwie weh – am schlimmsten ist aber doch das mentale Tief. Ich denke einen kurzen Moment daran: es wären nur noch 5 km bis ins Ziel. In 50 m Abständen denkend aber viel zu weit. Ich gehe einige wenige Schritte zum VPsucher und unseren Supportern. Mein Plan ist nach diesen 10 m wieder stehen zu bleiben. Aber ich gehe wortlos weiter. In richtiger Richtung auf der Strecke. Ich hasse mich dafür. Langsam macht sich Verwunderung bei den anderen breit und man beginnt mir zu folgen. Ich fange an zu laufen. Ein allerletztes Mal. Das Team scheint sich darüber zu freuen. Ich kann so etwas wie Freude nicht mehr verarbeiten. Ich konzentriere mich nur auf eine einzige Sache: weiter. Tatsächlich laufen wir knapp 4 km der verbleibenden 5 km. Und dann ist dort tatsächlich das Ziel. Einfach nur hin. 23 Stunden und 52 Minuten. Diese ersten 100 Meilen werden unvergessen bleiben.

I run 531!

Das war doch mal ein schöner Ausflug zum Abschluss des Märzes 2018. Von St. Andreasberg in Richtung Brocken.

Elapsed Time Moving Time Distance Average Speed Max Speed Elevation Gain
05:17:38
hours
04:57:29
hours
37,25
km
7:59
min/km
2:49
min/km
1.033,00
meters

Gut, das Wetter war etwas bedenklich. Eine Menge Regen an diesem Samstagmorgen in St. Andreasberg und durchaus nicht übermäßig viel Temperatur. Aber Plan ist Plan. Also los. Unfassbar nass der Auf- und Abstieg. Vereiste Trails, vereiste Wurzlen, matschiger Schnee, oberschenkeltiefer Schnee, ab 1000 m mal so richtig Winter und auf dem Brocken durchaus kühl.

Viele Steine,

müde Beine,

Aussicht keine,

Heinrich Heine.

Insgesamt ein spannender Lauf und ein durchaus gelungener März mit 531 km. Das ist neue Monatsbestweite.

Einen Monat Vollgas noch und dann langsam Richtung TorTour de Ruhr auslaufen!

24h Lauf Heilbronn – Eisbein & Apfelscholle

Schön & anstrengend wars. Vielen Dank an das Orga-Team, das Restaurant-Team und das VP-Team des 1. zweiten 24h-Laufs in Heilbronn. Zu hoffen bleibt, dass trotz des kühleren Wetters einige Läufer mit einigen Kilometern zu einem guten Spendenergebnis für die gute Sache beigetragen haben.

Aufgrund der etwas längeren Anreise mit der Bahn am Wettkampfmorgen, war ich erst um kurz nach 11 Uhr am Samstag (Start war schon um 10 Uhr) in Heilbronn im Wertwiesenpark am Neckar. Schnell die Nummer geholt, Rucksack ins Zelt geworfen und dann das erste Mal über die Zeitnahme kurz hinterm VP. Mir blieben also noch 22,5 Stunden maximal. Irgendwie blieb das Gefühl etwas nachholen zu müssen eine ganze Weile. So genoss ich den VP das erste Mal auch erst nach unfassbaren 8 Runden á 2,46 km. Auch danach hab ich mich stets gezwungen mindestes 3, besser 4 oder 5 Runden am Stück zu laufen und erst dann wieder den VP zu bedienen. Das klappte gut und es lief auch. Lange konnte ich knapp 10 km/h halten. Auffrischender Wind und nachlassende Kräfte drückten den Gesamtschnitt dann langsam Richtung 9 km/h bzw. knapp darunter. Da es gut lief, war eine Taktikänderung möglich. Bei ca. km 75 entschloss ich mich endgültig die 100 km unter 12 Stunden anzugehen. Das war mir bisher nie gelungen (ich hab es tatsächlich auch kaum versucht), aber die alte Bestzeit von 12:14 h musste doch wohl zu schlagen sein. Ein Nachteil hat ein solcher Plan. Er hat was mit Laufen zu tun. Mir war voll bewusst, dass die noch fehlenden 25 km in 3,5 h eine Menge Disziplin fordern würden und nur wenig Jammern zulassen würden. Aber Plan ist Plan und ein wenig anstrengen darf man sich ja ruhig auch mal. Mitten in der Nacht im Eiswind am Neckar war es dann soweit: 100 km in 11:51 h. Gerade mal so geschafft. Der linke Oberschenkel sagte mir schon, dass diese Art zu Laufen für mich bei diesen Temperaturen wohl nix ist. Die Runde noch ausgehen und dann mal etwas Aufwärmen. Oben im Restaurant wars warm und der Kreislauf ging spontan in den Schlafmodus. Nichts riskieren dachte ich mir, hab den Schlafsack hochgeholt und mich hingelegt. Ein paar Stunden Schlaf, bzw. Nicht-Laufen. Dreistellig war es ja nun schon geworden (das Minimalziel) und eine Verletzung ob der kalten, beanspruchten Muskeln musste nicht sein.

Morgens um fünf wieder wach und um sechs auch mit ca. allen Klamotten dieser Erde angezogen ging es dann auf die mittlerweile verschneite und vereiste Runde. 4 Runden schnelles gehen – vielmehr schien nicht mehr sinnvoll und möglich. Also Nummer ab und raus. Sehr schön organisiert der Lauf. Die Strecke ist, nun ja, asphaltiert. Bietet eine Schnellstraße in direkter Nachbarschaft (daher für den VPsucher unbedingt zu empfehlen), zwei Brücken (eine mit einer kleinen aber feinen Rampe), den Neckar und den Wertwiesenpark auf. 24h-Romantik pur. Gegen die Autogeräusche hab ich Musik gehört oder mich unterhalten. Alles in allem muss ich sagen, dass ich trotz der bescheidenen Anzahl an Kilometern doch ganz zufrieden bin. Ich konnte die Monotonie gut wegstecken, war im Jetzt und habe mich auf das Laufen konzentriert. Die mentale Schwäche nach 12 Stunden verzeihe ich mir einfach mal und meinem Körper auch das Runterfahren der Maschinen. Die schüttelfrostartigen Szenen sind typisch für mich in diesen Momenten der Erschöpfung. Die Kraft für 100 km ist aber in jedem Fall da. Über das Wetter sag ich mal nix – Respekt an alle die zwischen 0 und 5 Uhr gelaufen sind. Manche Leute können es einfach :).

Aber mal so generell: Frühling – so geht´s nicht weiter. Ich friere immer noch…

In den nächsten Wochen heisst es weiter fleissig Kilometer sammeln. 1-2 Vorbereitungsläufe wird es wohl noch geben bis zur TorTour de Ruhr im Mai, aber hauptsächlich längere Trainingsläufe.

***LIVE*** 24h Lauf Heilbronn

So, guten Morgen allerseits. Nachdem um 2330 Ortszeit die 100km in 11h51 gelaufen waren kam das erwartbare Loch. Das durchlaufen auf den letzten km dorthin hat seinen Tribut gefordert. Der Körper geht dann an die in dem Moment letzten Reserven und schaltet den Kreislauf danach aus. Die Kälte war also zu schlimm.

Mir ist erst dann aufgefallen, dass es einen beheizten Raum zum schlafen gibt und ich nicht uns zugige Zelt muss. Da war die Entscheidung dann leicht zu treffen. 4-5 Stunden Schlaf schienen mir sinniger als das Schneegestöber. Hut ab an die die die letzten Stunden draußen waren.

Zumindest einmal muss ich noch über die zeitmatte die gut 50 m hinter dem VP liegt sonst bleibt die Aufzeichnung bei 99 km stehen obwohl es 101,2 sind in Wahrheit. Das wäre ja auch ärgerlich.

Vielleicht laufe ich noch ein paar wenige Runden (mal sehen was der Körper dazu sagt und ob der Kreislauf wieder da ist). Plan ist aber so gegen 8 Uhr das Rennen offiziell zu beenden. Damit in Ruhe duschen und sortierten drin ist. Interessante km Ziele gibt es eh erst wieder in 60 km und das ist ja schon jetzt ausgeschlossen. Also eventuell ein wenig auslaufen und gut ist.

Dreistellig ist es ja geworden und das war das Ziel. Ein etwas längerer Lauf bei großer Kälte. Es muss jetzt dringend wärmer werden!


24stundenlauf.com

***LIVE*** 24h Lauf Heilbronn

Ach Wolfi. Die letzten Stunden musste ich viel daran denken wie wir damals über die Zeiten bei den deutschen 100 km Meisterschaften gesprochen haben. Zeiten über 6h20 wären einen Schande und den Titel nicht wert.

Es tut mir leid – leider hab ich noch immer nichts gelernt…

Ganz schön knapp und hart wars.

Es ist gerade echt sehr kalt so mit der Erschöpfung. Mal sehen ob es noch weiter geht.


24stundenlauf.com

***LIVE*** 24h Lauf Heilbronn

Kurze Wasserstandsmeldung: Wellen auf dem Neckar. 2,4 km Runde und die ungeschützte Seite im immer stärker werden Eiswind. Traumhaft. Keine Uhr, keine Zwischenergebnisse – aber lecker Pizza hat’s!

Mal sehen wie lange das bei den Bedingungen noch Sinn macht.


24stundenlauf.com

Das Wochenende

Die Rur ist ja leider nicht in ihrer ganzen Länge bezwungen worden – doch auch so waren die 93 km ein schöner langer Trainingslauf. Der dritte Lauf in 2018 mit annähernd 100 km. Die TorTour wartet mit ihren 230 km ja nicht mehr allzu lange und so gilt es gerade jetzt: dran bleiben und die mühsam aufgebaute Basis weiter zu stärken.

Das kommende Wochenende soll daher den vierten langen Lauf in 2018 bringen. Dazu gibt es einen sehr schönen Plan: Samstag früh aufstehen, zum Zug eilen, nach Heilbronn fahren, dort zwei Stunden zu spät zum 1. zweiten 24h Lauf in Heilbronn antreten, in den dann noch verbleibenden 22h einige km laufen und mit dem Zug am Sonntag wieder zurück. Das wird bestimmt ein großer Spaß. Wenn es perfekt läuft wird es dreistellig. Da aber aus der vollen Arbeitsbelastung heraus und, wenn man den Vorhersagen trauen darf, bei richtig winterlichen Bedingungen gelaufen wird – schauen wir mal.

Vielleicht gibt es von unterwegs ein paar Updates.

Ist am Wochenende also erstmal unterwegs: der Pfadsucher.