24h am Seilersee – Eine Traumzeit!

Der Vorteil an einem 24-Stundenlauf ist, dass man die Verpflegungspunkte, sobald man sie einmal gefunden hat, bis zum Ablauf der 24 Stunden immer und immer wieder besuchen kann und – da die Runden doch meist recht übersichtlich zu sein scheinen – auch leicht wiederfindet. Tatsächlich sollte an diesem wunderbaren Wochenende das Suchen der VPs keine große Herausforderung für den VP-Sucher darstellen: Einen hatten wir selbst an unserem Zelt eingerichtet, einen weiteren phantastischen VP konnten wir nur wenige Meter später gar nicht verfehlen:

24h.Iserlohn.VP

24-Stunden-Essen am Seilersee

Dieses Mal wurde der VPSucher wohl eher zum VPBesucher, das aber sehr sehr gerne. Vielleicht ist das auch, wo wir den Laufbericht beginnen sollten: Ein riesiges Dankeschön, an das gesamte Versorgungsteam, welches 24 Stunden lang mit vollem Einsatz, einer riesigen Vielfalt wunderbarster Speisen und stets bester Laune für uns bereitstand und uns jeden Wunsch von den Lippen ablas. Wir hätten es uns besser nicht wünschen können. Für Leute wie unseren Struppi, gab es sogar eine ‘vegane Ecke’ – einen Tisch voller Leckereien, der ganz auf die Bedürfnisse diese Grünzeugesser eingestellt war, ohne dabei auf Soja-und-Fleischersatzklischees hereinzufallen. Ich sage nur: “Brot mit Erdnussbutter und Marmelade, Chips, Salzstangen, Essiggurken: ein Traum!” Nächstes Mal (Hm,… keine Ahnung, was ich damit meine…) werden wir unsere Wraps und Maisschnittchen vielleicht einfach dazulegen.

Nachdem das Wichtigste erzählt ist, können wir uns also dem Lauf widmen – einem 24-Stunden-Benefizlauf zugunsten der Aktion TADRA in Tibet und des Vereins ‘Himalaya Friends e.V’, welcher sich unter anderem für die Erdbebenopfer in Nepal einsetzt. Der Pfadsucher kannte die Strecke schon aus seiner düsteren Vergangenheit; da wir etwas früh angereist waren, blieb also noch Zeit für eine ‘Streckenverkennung’ wie wir von Wilma erfahren haben, die uns dabei entgegengekommen ist. Schon verrückt, dieser Niederländer*innen, schauen die sich die Strecke schon vorab in Laufrichtung an, als käme man nicht später noch dazu. Besonders traillastig war die Strecke nicht, wohl deutlich weniger als Vilvos Konkurrenzveranstaltung am Glockenofen – es versprach also, das typische Tim-und-Struppi-Asphaltwüstenevent zu werden, auf das wir uns am Abend zuvor mit den entsprechenden einschlägigien Dokus eingestellt haben.

Aber wir waren ja nicht wegen des Laufens dort sondern wegen des Essens und der netten Gesellschaft und von beidem gab es reichlich. Irgendwie sind solche Events da wohl gelungenen Familienfeiern sehr ähnlich und fühlen sich auch so an.

Der Lauf selbst: Er lief dann irgendwie. Die kleine Runde wurde aus irgendeinem Grund nie langweilig und hatte mit ihren 22 Höhenmeterchen auf 1,78 Kilometern schon ein bisschen was zu bieten. Das wechselhafte, stets kalte aber auch im Graupel- und Hagel-schauer trockene Wetter trug vermutlich ebenso seinen Teil dazu bei, wie nächtliche Beleuchtung des Sees, und die häufig wechselnden Laufpartner, die man so sieht, mit denen man dann oft ein paar Worte wechseln oder ihnen anerkennend ein paar staunende Worte hinterherraunen kann.

Ansonsten sind wir tatsächlich ein wenig gelaufen. Allerdings hat Struppi nach gut 21 Stunden mit einer leichten Reizung der Achillessehne aufgegeben und sich lieber für andere Tortouren geschont – jetzt, einen guten Tag nach dem Startschuss ist er aber wieder beschwerden- und spartathlonqualifikationsfrei und scheint somit alles richtig gemacht zu haben. Der Pfadsucher hat es taktisch ein wenig klüger gemacht und konnte so, die letzten zweieinhalb Stunden nutzen, um nochmal richtig Gas zu geben, sodass wir auf insgesamt gut 300km gekommen sind. Dabei haben wir auch sehr auf die Zeitmessung geachtet,

24h.Iserloh.Streckenverkennung3

Zeitmessung am Seilersee, hier noch nicht aktiviert

die – wohl als merkwürdiges Spleen des Veranstalters – auf etwa der Hälfte der Runde angebracht war: Wir hatten die eine oder andere Traumzeit dabei. Wer sich die Splits anschauen möchte, bekommt da vermutlich auch einen guten Eindruck davon, wie sich so ein 24-(oder im Falle des VPSuchers 21,5-)Stundenlauf so anfühlt. Stellt euch das vor, gespickt mit vielen netten Leuten, VP-Besuchen, netter Musik, den sich verändernden Geräuschpegeln der Tier- und Läuferwelt und der Autostraßen sowie den Impressionen von oben: Mir fällt keine bessere Art ein, das Gefühl eines 24-Stundenlaufs zu vermitteln:

Das Traumzeitgefühl am Seilersee und Pfadsucher on the run

Ein Traum von einem Lauf. Unser Respekt, unser Dank und unsere Glückwünsche gelten all jenen, die ihre gesteckten Ziele erreicht haben; jenen, die sie nicht erreicht haben, aber für das bestmögliche Resultat gekämpft haben; jenen die in dieser eisigen Aprilnacht durchgehalten haben, so lange ihre Kräfte es zuließen; den Veranstaltern, für eine wahrlich gelungene Veranstaltung; dem Versorgungsteam, das sich mehr aufgeopfert hat als so mancher VPSucher an diesem Tag.

Breite, direkte Wege

Wir müssen uns so langsam auf das Schlimmste vorbereiten. Da darf es uns nicht schocken, wenn unsere Freunde sich am frühen Morgen an unseren Arbeitsweg stellen, um uns bei lausiger Kälte begeistert anzufeuern

Frosty long distance running Snowman

Typische Läuferfigur: Schlanker Oberkörper, dürre Ärmchen und vor allem: BEINE.

Ansonsten müssen wir es lernen, auf diesen endlosen, geraden, fast direkten (also mit vom Eis und Schlamm abgesehen fast direktem Bodenkontakt) Wegen zu laufen, und auch dann nicht auf ewig zu verharren, wenn die Sonne uns am Morgen belohnt.

So beginnt ein feiner Tag, der ähnlich lustig enden sollte… nur das mit den direkten Wegen müssen wir vielleicht nochmal üben… aber wozu eigentlich? Es ist doch viel schöner so.

Wo sind nur all die Läufer hin?

In der LaufReport Marathon-Analyse 2014 lässt sich lesen, dass die Teilnehmerzahlen bei deutschen Marathon-Veranstaltungen seit dem Spitzenjahr 2005 bis heute um etwa ein Viertel abgenommen hat. Es wird dort dann die Frage gestellt: wo sind all die Marathonläufer hin? Dazu lässt sich sagen: wir sind nicht weg, wir sind immer noch da.

Was uns stört ist die zunehmende Kommerzialisierung eurer Marathon-Landschaft. Die Startgebühren klettern unaufhaltsam, Startplätze werden als so rar gekennzeichnet, dass sie verlost werden “müssen” damit alles “fair” zugeht (was dann zur Folge hat, dass in Berlin viele Startplätze einfach verfallen sind) und generell wird uns zuviel Wirbel um unsere Lieblingsbeschäftigung gemacht. Noch einmal: wir sind noch da und wir laufen auch immer noch Distanzen von 42 km (oder sogar länger). Wir haben nur keine Lust auf euren Stress. Es zieht uns raus aus den Städten, rein in die Natur. Wir haben den Asphalt und das Gedränge satt. Wir laufen privat, in der Gruppe oder auf kleinen, aber feinen Veranstaltungen Marathon, wo Laufen sich noch wie Freiheit anfühlt. Hinstellen und los. Liebe Menschen (meist kennen wir sie auch noch persönlich) opfern ihre Freizeit um uns was zu trinken zu reichen und alles zu tun um uns einen schönen Lauf zu ermöglichen. Unsere Schränke sind voll mit euren Finisher-Shirts. Wir sind stolz drauf sie errungen zu haben und im Training tragen wir sie gern (irgendwas muss man ja schließlich anziehen). Aber wir haben mittlerweile einfach genug Shirts. Wir wissen das viele unserer Läufe nicht nach euren offiziellen Kriterien vermessen sind und bei manchen wird noch nichtmal die Zeit genommen. Da wo wir laufen gibt es keine Ideallinien und wenn es sie gäbe verliefen sie wohl meist in Bächen, über Bäumen oder tief im Gestrüpp. Falls ihr also das nächste Mal die Läufer in Deutschland zählt, die 42 km laufen können, dann sucht nicht nur in euren Städten sondern schaut auch in unseren Wald, durchkämmt unsere Wiesen und wühlt in unserem Schlamm. Oder lasst es. Wir fühlen uns wohl im Schatten und fern eurer Datenbänke.

Wir sind noch da, wir sind viele, vor allem aber sind wir Freunde die genau das tun was ihnen am Herzen liegt: simply running!