Wurmkur – mit dem letzten Zug nach Heinsberg

Die Angewohnheit von uns den letzten Bus oder Zug irgendwo hin zu nehmen hat einen entscheidenden Fehler: man kommt nicht mehr zurück. Es ist ein eigenartige Gefühl. Um uns herum das Freitagsabend-Publikum: angetrunken, müde, aufgedreht, aggressiv, abweisend. Navigation anwerfen, Stirnlampe auf. Ab durch Heinsberg. Viel ist schon menschenleer, auf der Straße neben einem Campingplatz dann plötzlich Polizei und ein Menschenauflauf: vielleicht ein Pokémon? Kurz fragen wir uns, ob sich nicht Geld damit verdienen ließe an den entlegendsten Stellen da draußen die Pokémons für die etwas Lauffauleren einzusammeln? Dann sind wir aus dem inneren Stadtgebiet von Heinsberg raus und schauen uns kurz die Mündung der Wurm an. Die Wurm schließt sich der Rur an und soll von nun an flussaufwärts unseren Weg nach Aachen vorgeben. Es ist kurz nach 0 Uhr, die Wurm mit ihren ca. 60 km wartet – unser 3. gemeinsamer Fluß nach Göhl und Inde im letzten Jahr. Die Regeln des Flußlaufens sind brutal wie einfach: Nur wenn Quelle und Mündung (in einer bevorzugt Ausführungsform in der umgekehrten Richtung) verbunden wurden und die Strecke so nah wie möglich am Fluß verlief, zählts.

Das Laufen bei Nacht hat einen besonderen Charm, auch wenn der ganz große Nervenkitzel mittlerweile fehlt. Selbst wenn die eine Stirnlampe den Geist aufgibt, selbst wenn der Track dann doch zwischendrin aus wegen besteht die es nicht/nicht mehr gibt (oh Wunder!) und selbst wenn es nur gelingt von einer der Kläranlagen unterwegs ein Foto zu machen – nichts was wirklich aus der Bahn wirft. Gut, dass an einen Stellen die Vernunft siegte (das mit Gittern versperrte Industriegelände, auf dem der Wachmann schon unterwegs zu uns war), so konnte sie an anderen Stellen getrost ignoriert werden (die Böschung, die Bahngleise, die zweite Böschung, der abgesperrte Wanderweg).

Es bleibt erstaunlich, wie schnell ein Tief kommen kann. Zwischen 4 und 5 war absolut Ende beim Pfadsucher. Erst mit der Dämmerung kam ganz langsam die Erlösung. Der Kopf bleibt einfach der härteste Gegner. Vielleicht wird es irgendwann leichter wenn der Kopf immer und immer wieder besiegt wird. Vermutlich liefe es sich auch etwas leichter, wenn das Drumherum etwas ruhiger werden würde…

Das Schöne an der Wurm ist, dass sie direkt in den Aachener Wald führt. Natürlich waren es unsinnige Meter hoch am Ende, natürlich war keine sichtbare Quelle auszumachen. Doch immerhin – ein Ziel im noch ruhigen Wald an einem Samstag morgen ist nicht schlecht. Insgesamt 70 km in den Beinen – wer weiß wofür das noch gut sein könnte.

„Laufen ist kein Sport, es ist eine Art zu Reisen.“ – Jan Knippenberg

Hier gibt es die vollständige Fotosammlung.

Mitläufer gesucht!

Ganz kurzfristig ein kleiner Aufruf: wir wollen jetzt am Freitag (22.07.) abends in Aachen starten, mit dem Zug nach Heinsberg fahren und dann 66 km immer der Wurm folgend hoch nach Aachen laufen. Samstag zum späten Frühstück sind wir dann zurück.Wer Lust hat mitzukommen meldet sich bitte persönlich bei einem von uns.

Achso ja: alles mitschleppen was man für eine Sommerregennacht braucht ist angesagt, Genügend Energie für die Beleuchtung der Fische versteht sich von selbst!

Startzeit: ca. 22 Uhr in Aachen am Freitag den 22.07.2016, mehr Infos auf Nachfrage 🙂

2nd FunRun

I just finished my second fun run in my life! To indroduce you a little bit further, I should mention Matt Mahoney. I´ve never met him but based on what he wrote and is still writing on his website, I think he is a really nice guy. It happens, that he also has a fantastic hobby: running. He did some pretty impressive runs, not to even mention his 15 starts at a particular nice run in Tennessee. But this might be another day´s topic.

Matt is also directing some running events. In addition to the pretty impressive one´s in the real world (Wickham Park Marathon and 50, 100, and 200 miles fun runs) he also started the longest race of the world: The Million Mile Ultra Run

„With 1000, 10,000, and 100,000 Mile Fun Runs“

„When: Starts 0000 GMT, 1 Jan. 1997. In the US, that’s 7:00 PM EST or 4:00 PM PST, Dec, 31, 1996. You may enter at any time and (if you’ve kept a log) enter your miles retroactively back to the start. However, the winner is the first to cross the finish line AND submit his/her miles.

„Where: Anywhere you want, as long as each day’s walk/run is measured and recorded.

Why: Nobody has ever run 1,000,000 miles. The record as of 1997 was held by Douglas Alistair Gordon Pirie of Great Britain (b. 1931), who ran 216,000 miles from 1941 to 1981 [Guiness Book of Records, 1992]. Herb Fred (b. 1929) ran 252,026 miles as of Aug. 31, 2015.

Rules: Cutoff for all races is 100 years, on Dec. 31, 2096. To complete 1,000,000 miles, you will have to average 27.4 miles per day, although there are no intermediate cutoffs.

All distance covered must be on foot and must be on measured courses of your own choosing. You may measure the courses yourself. You are NOT required to have your runs officially timed or witnessed, although you may wish to do so if you want to sumbit your results as an official record.

If you don’t know a distance exactly, you may use the lower limit of the estimated distance. For example, if your run is about 12-15 miles, you can count 12 miles.

Submit the number of miles or kilometers run during each month using the form below. You may submit mileage more than once a month if you like, submitting your final totals at the end of each month. Each entry replaces the previous one.“

For some reasons this fantastic race is not really popular. The number of runners who are actually submitting their distances is not high. Maybe it is because there is no chance to finish this race? I don´t know.

I really like those kind of stupid and funny rankings, so I entered all my recorded miles starting September 2010 and I just completed the 2nd fun run: 10.000 miles. It took me almost 6 years… I´ll probably not be able to finish the 3rd and last fun run, so this might be an excellent moment to stop running. Isn´t it? But wait: some month ago I came across another fun run. The only real other fun run out there worth thinking about. Somewhere in Tennessee. That very one which is only 60 miles long (althoug rumor has it it might be around 80 miles). That very one which is almost impossible to finish. That very one which is set on the very limit of human capabilties. Is it still allowed to dream?

Thanks Matt. You´re doing a great job!

10000 miles

Der plötzliche Spazierlauf

Wenn man sich am Abend endgültig entschlossen zu haben scheint, zu Hause zu bleiben, die Trailschuhe ins Schuhregal gestellt hat, nach dem Nachtmahl beim beleuchteten Tische sitzt und jene Arbeit oder jenes Spiel vorgenommen hat, nach dessen Beendigung man gewohnheitsgemäß schlafen geht, wenn draußen ein unfreundliches Wetter ist, welches das Zuhausebleiben selbstverständlich macht oder man am Tag zuvor die TorTour gelaufen ist, wenn man auch jetzt schon so lange bei Tisch stillgehalten hat, dass das Weggehen allgemeines Erstaunen hervorrufen müsste, wenn nun auch schon das Treppenhaus dunkel und der Lieblingstrail gesperrt ist, und wenn man nun trotz alledem in einem plötzlichen Unbehagen aufsteht, die Schuhe wechselt, sofort waldschratmäßig angezogen erscheint, weggehen zu müssen erklärt, es nach kurzem Abschied auch tut, je nach der Schnelligkeit, mit der man die Treppe runterspringt, mehr oder weniger Verwunderung zu hinterlassen glaubt, wenn man sich auf dem Pfade wiederfindet, mit Gliedern, die diese schon unerwartete Freiheit, die man ihnen verschafft hat, mit besonderer Beweglichkeit beantworten, wenn man durch diesen einen Entschluss alle Entschlussfähigkeit in sich gesammelt fühlt, wenn man mit größerer als der gewöhnlichen Bedeutung erkennt, dass man ja mehr Kraft als Bedürfnis hat, die schnellste Veränderung leicht zu bewirken und zu ertragen, und wenn man so die engen Pfade langläuft, – dann ist man für diesen Moment gänzlich in den Waldmatsch eingetreten, der ins Wesentliche schwenkt, während man selbst, ganz sacht, schemenhaft im Wald, nur leicht die Schenkel hebend, sich ganz dem Wald-Weg ergibt.

Verstärkt wird alles noch, wenn man zu dieser unwirtlichen Zeit einen alten Pfad aufsucht, um nachzusehen, wie es ihm geht. Weiterlesen

Throwback Kemnade

Auf dem Weg von Sprockhövel nach Witten kann man recht bequem am Kemnader See vorbeikommen:

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Und plötzlich bleibt man im strömenden Regen stehen. Alles ist wieder da: das Gefühl auf einer großen Reise zu sein, das Gefühl klein und unwichtig zu sein. Und doch Teil des großen Flusses. Ich bin eigentlich jemand, der große Wasseransammlungen beim Laufen eher semi-gut findet. Es geht nicht voran, es findet keine Veränderung statt – minutenlang neben diesem großen Wasser und es sieht immernoch alles gleich aus. Oder sollte ich besser sagen: ich war kein großer Fan. Alles verändert sich irgendwie. Dieser Moment im Regen auf der Brücke, die paar Schritte auf DER Strecke … Die Schilder die Richtung Mündung weisen … Sie haben heute keine Bedeutung und bedeuten doch so viel. Es ist das Gefühl nach Hause zu kommen, das Gefühl von tiefer Dankbarkeit und Ruhe. Ist dieser Sonnenaufgang erst so wenige Wochen her?

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Das Gefühl an dieser Stelle die Sonne gesehen zu haben bleibt unvergessen. Genau zwischen der längsten Nacht und dem allerlängsten Tag. Was ich wohl an dieser Stelle und in diesem Moment getan hätte wenn ich gewusst hätte wie groß der Kampf doch werden würde, wie fürchterlich weit dieses Baugerüst um das orangene Metall noch war? Letztlich ist es ohne Belang. Wir sind losgelaufen – wir sind angekommen. Dazwischen war Bewegung. Im Kopf und in den Beinen. Weil es wichtig ist in Bewegung zu sein.Weil es doch in jedem Moment irgendwie weiter geht. Weil der Fluss uns lehrt das dem Strom folgen wachsen bedeutet. Die Gänsehaut bei der Durchsicht der Bilder wird wohl nie vergehen, der Moment das orangene Etwas tatsächlich zu erreichen wird wohl für immer etwas Magisches bleiben.

The return of mAMa – 04.02.2017

Ein paar von euch haben schon vom mAMa (matschiger Aachen Marathon) gehört. Da wir gerade beim Laufen drauf angesprochen wurden ob wir das nochmal machen – hier ist dazugehörige Seite mit allen wichtigen Informationen. Hoffentlich klappt das alles und hoffentlich seid ihr alle dabei! Wenn ihr auf die Liste möchtet – meldet euch einfach.

Gruppenbild mit Zwerg_Ohm-Trail 2016

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Am Anfang war noch Luft im Zwerg – als wir nach knapp 9 Stunden wieder da waren, lag er als zusammengefallener Plastiksack im einsetzenden Regen. Alles in allem ein Lauf, der einem die Schuhe auszieht. Vermutlich sogar im wahrsten Sinne, wenn man sie nicht fest genug gebunden hat. Ein Lauf der bei 50 km in einem moderat veranschlagten Tempo einfach mal knapp 9 Stunden braucht. Bis auf ganz wenige Meter war es realistisch betrachtet entweder kaum laufbar, zu schön um es nicht auszukosten und zu genießen, relativ nass und rutschig (der Regen der letzten Tage hatte die Strecke in einen Traum aus Wasser verwandelt) oder auch einfach unfassbar steil. Das hört sich jetzt alles sehr negativ an. Es war fantastisch! Als 5 Freunde angereist, zu fünft zusammen da durch. Gelacht, geflucht, genossen, sich noch besser kennen gelernt, die Höhen und Tiefen einer technisch sehr anspruchsvollen Strecke gemeistert, ohne Verletzung angekommen… Es stimmte sehr, sehr viel. Die Strecke hat das Prädikat „unglaublich wunderbar“ verdient! Wer Trail will, bekommt ihn hier in allen denkbaren Ausführungen. Wie oft wir über die Streckenführung lachen mussten.

Manchmal hat man die perfekte Strecke vor dem inneren Auge: aberwitzig, kompliziert, lächerlich schwierig und landschalftlich so schön das man denkt, man sei im Urlaub. Und dann kommt man zum Ohm-Trail und denkt sich: gibts ja wirklich. Der Lauf bleibt auf der Liste und kommt locker in die Top 10 der Strecken. Auf bald!

Ein paar Fotos gibt es hier (sagen ja bekanntlich mehr als 269 Wörter):

Weiter Bilder gibt es hier. Stefan ist die 35 km-Variante gelaufen. Auch er hat ein paar Fotos gemacht und das Video folgt bestimmt.

Zeit aufzuhören…

… sich Gedanken zu machen. Seit Ende Dezember stehen fast 1500 km auf dem Tacho. Immer mal krank gewesen, aber nie dramatisch. Zwei 100 km-Läufe im Januar, ein paar längere Trainingsläufe dabei gehabt, im April nochmal 100 km in Solingen und dann 148 km in 24 h am Seilersee. Eigentlich so ziemlich das, was ich mir vorgenommen hatte. Auch der VP-Sucher ist optimal vorbereitet.

Es ist angerichtet. Zeit schon jetzt mit dem Genießen zu beginnen und die Vorfreude auszukosten. Klar, alles kann schiefgehen. Es ist wieder von unendlich vielen kleinen Dingen abhängig, wie es so laufen wird. Aber es ist alles getan. Unendlich viele bekannte Gesichter werden unterwegs sein. Egal was kommt: es wird ein Spaß und eine große Ehre dabei sein zu dürfen. Was in der Zeit von meinem ersten Lauf über 42 km im Mai 2013 bis heute passiert ist … Es fehlen die Worte. Jetzt an diesem Punkt stehen zu können, ist mir eine sehr große Freude.

An alle Starter, Crews und Organisatoren: wir sehen uns unterwegs. Es werden sicher ein paar anstrengende Momente kommen, aber ich hoffe wir werden sehr viel Spaß miteinander haben. Wie sehr ich mich schon jetzt freue an euch vorbei zu laufen, mit euch zu laufen und von euch überholt zu werden :). Es könnten meine ersten 100 Meilen werden. Aber es werden mit Sicherheit schöne Stunden. Wie auch immer es endet. Euch allen: gute Beine, gute Laune und eine fantastische Zeit. Und immer schön weiter laufen. Wenn wir mit Demut und ner Menge guter Laune daran gehen, kommen wir sicher ein Stückchen weit. Wir sehen uns am Wochenende!

Ein Tag am See

Eine paar Gedankenspiele vom Pfadsucher während des 24 h Laufs in Iserlohn.

Es bleibt dabei: über einen Tag zu sagen, dass er entweder Freund oder Lehrer sein kann, lässt völlig außer Acht, dass die wirklich guten Tage beides sind. Von Freunden lernt es sich eben doch am Besten und das Erlernte wird nicht mehr so schnell vergessen.

Die Digitalanzeige 24:00:00 hatte doch auf den ersten Blick etwas Bedrohliches. Zu unvorstellbar ist die Tatsache, wie lang der Zeitraum doch ist, der zum Laufen zur Verfügung steht. Ein Tag. Trotz allem Respekt dieser Anzeige gegenüber, die das Leben die nächsten Momente beherrschen soll, so hat sie doch auch etwas Tröstliches. Jede Runde wird ein wenig Zeit vergangen sein und egal was auch passiert – es wird dieser eine Moment kommen, an dem sie stehen bleibt. Dieser Moment wo alle stehen bleiben dürfen. Letztlich liegt es an einem selbst, wie der Tag wird. Das erste Mal auf einer so kurzen Runde unterwegs zu sein, hatte auch etwas sehr Interessantes. Einerseits schien es mir im ersten Moment etwas hinderlich für den Kopf, so viele Runden laufen zu müssen, andererseits wurde es mit fortschreitender Dauer des Laufes immer tröstlicher und angenehmer „zurück“ zu kommen. Die Uhr zu sehen, einen kurzen Blick auf den Bildschirm mit den Zwischenergebnissen zu werfen, sich kurz zu wundern das der eigene Name dort aufleuchtet, all die lieb gewonnenen Leute und Begebenheiten am Rand zu genießen, zu wissen: alles ist in bester Ordnung und dann auf die nächste Runde abzubiegen.

Was sich sehr viele fragen: wie bekommt man das hin mit dem Kopf? Für mich war diese Frage auch während meines ersten 24h-Laufs in Arnsberg zu schwer. Irgendwann war Schluss im Kopf. Auch wenn ich damals nach einer Pause von ein paar Stunden wieder aufgestanden bin um die 100 voll zu machen – zugehörig zum Lauf habe ich mich nicht mehr gefühlt. Er war für mich von einem 24h-Lauf zu einem 100 km Lauf geworden. Dieses Mal sollte das anders werden. Wurde es auch, nur war der Weg dahin vom Kopf her schwerer als gedacht. Der tote Punkt kam auch diesmal verlässlich nach knapp der Hälfte der Zeit. Das Verlangen Pause zu machen war übermächtig. Die Fragen: Warum legst du dich nicht hin – du hast doch fast 100 km? Warum tust du dir das an? Ist es überhaupt in irgendeiner Weise für irgendwen von Belang, was du hier tust? Offensichtlich nicht. Oder doch? Für mich war es in dem Moment noch nicht ganz klar, aber ich begann zu ahnen, dass es doch jemanden geben könnte für den das relevant ist. Auf dem Weg dahin das zu verstehen, quälte ich mich nach einer guten Stunde aus dem wunderbar warmen Schlafsack und auf die eiskalte Strecke. Zeit für Musik auf den Ohren und alleine sein. Dieses Zurückziehen vom Geschehen rundherum half zunächst gut. Es lief wieder richtig gut. Fast zu gut. Ein paar ordentliche Runden später war es wieder vorbei mit der Herrlichkeit. Das ein paar schwierige Momenten kommen hatte ich mir gedacht, dass sie so schnell aufeinander folgen würden, hat mich überrascht.

Die nächste Pause im Zelt wurde nötig. Wo bleibt nur Sinn? Ca. 108 km sind doch wirklich genug, oder? Es ist nicht schlimm jetzt einfach liegen zu bleiben, oder? Knapp 7 Stunden vor Schluss und nach einer Stunde Ruhe, wieder raus aus dem Zelt. Warum? Schwer zu sagen. Nochmal Musik auf die Ohren. Gehen, Traben, Laufen. Volle Konzentration auf das Jetzt und den Moment. Noch ein Schritt und noch einer. Dann war es auf einmal wieder richtig hell draußen. Langsam fiel es wieder leichter mit dem Geschehen in Kontakt zu treten, sich zugehörig zu fühlen. Nochmal so etwas wie einen Rhythmus finden für die letzten Stunden. Die Uhr wurde immer mehr zum Freund. Es waren nun vorstellbare Zeitabschnitte abgebildet. Die Unterstützung von allen Seiten war super und ich konnte es nach einer langen und vom Kopf her komplizierten Nacht auch wieder genießen. Das war die Befreiung. Die Rückkehr der Leichtigkeit zu einem Moment, wo der Körper schon maximal erschöpft ist. Beeindruckendes Gefühl. Von Runde zu Runde denken. Unvorstellbar, aber es wurde zum Genuss eine neue Runde zu beginnen und jedes Mal eine größere Belohnung über die Zeitnahme zu laufen. Endlich war das Gefühl da, von dem viel gesprochen wird. Der Moment wo eine gewisse Distanz zu all den Fragen erreicht ist. Die Fragen und Zweifel sind zwar noch da, aber sie stören nicht mehr. Es ist ok, dass manche Sachen unvorstellbar bleiben. Es ist ok, dass es bei einem Stundenlauf nichts zu gewinnen gibt, dass kein offensichtliches und greifbares Ziel vorhanden ist. Es geht um den Sieg über sich selbst. Auch wenn der Weg dorthin schwer ist. Auch wenn es Menschen mit Mägen aus Stahl und Köpfen ohne lästige Fragen gibt, die einen immer wieder fröhlich überrunden – es bleibt ein großer Zusammenhalt untereinander. Die Energie die man hat, wird zur Unterstützung der Mitläufer und Helfer verwendet. Und wird direkt erwidert. Wenn man sich in die Augen blickt, braucht es keine Worte mehr. Immer weiter. Jeder allein und doch alle auf eine wunderbare Art und Weise zusammen gegen und mit der Zeit die noch auf dieser Uhr steht.

Die Ruhe und Dankbarkeit der letzten zwei Stunden war dann unbezahlbar und wird mich noch lange tragen. Alles war gut. Ich war in Bewegung. Die Unterstützung war groß und der Spaß war endgültig zurück. Sollte es wirklich schon so bald vorbei sein? Es ist doch alles so schön in Bewegung gerade. In meiner vermeintlich letzten Runde lief ich auf Wilma auf, die zu diesem Zeitpunkt schon über 200 km in den Beinen und das Rennen der Frauen auch sicher gewonnen hatte. Die letzten 23 Stunden und 30 Minuten hatten wir uns immer wieder aufmunternde Worte zugerufen. Obwohl sie zwei ihrer Ziele in diesem Lauf zu diesem Zeitpunkt schon sicher verfehlt hatte, sprühte sie vor guter Laune und vor Energie. Trotz allem glücklich und zufrieden, absolut im Reinen mit sich selbst und ihrer Leistung. Wir liefen die Runde zusammen zu Ende und mir war bewusst, dass nur noch wenige Minuten bleiben würden, bevor die Uhr dann schließlich stehen bleiben sollte. Mein eigentlicher Plan war nach der Runde aufzuhören um nicht auf die Restmetervermessung warten zu müssen. „Läufst du weiter?“ hab ich Wilma gefragt: „Natürlich, komm mit“. Wie selbstverständlich. Es ist doch gerade so schön zu laufen, lass uns die letzten 8 einhalb Minuten noch auskosten. Tun, wofür wir gekommen waren. Wilma erhöhte das Tempo und rief mir zu, ich solle doch ja bei ihr bleiben jetzt. Aufhören bevor die Uhr aufhört zu schlagen – kommt gar nicht in Frage. Warum auch? „Jeder Meter zählt“. Und so „rannten“ wir in den guten 8 Minuten noch fast 1,5 km. Etwas, was unmöglich ist. Bis wir es gemacht haben. Der Moment wo wir das Stoppsignal hörten, stehen blieben und zusammen auf die Restmetervermessung gewartet haben, war wunderbar. Es ist klar: es macht Sinn immer weiter zu laufen. Die Person für die das alles doch eine Bedeutung hat, ist man selbst. Die Belohnung dafür waren nicht die paar Kilometer, die in der Zeit noch zusammen kamen, es war etwas ganz anderes. Und plötzlich geht man zurück zum Zelt und es ist vorbei. Die große Ruhe nach dem Sturm, die Befreiung und die Zufriedenheit, doch alles richtig zu machen. Es gibt ihn diesen Moment, wo Unmögliches möglich wird und man kann sich selbst schlagen um sich näher zu kommen und dabei alles zu gewinnen.

Ein letzter Blick auf die Uhr: aus. Irgendwie doch schade. Abschied nehmen vom Freund und Lehrer. Wer weiß, vielleicht sieht man sich ja mal wieder.