Tour d´ Erft 2018

Da muss es doch einen Knopf geben irgendwo. Das Licht ist doch an – die Tankstelle muss dann doch besetzt sein. Irgendwie. Aber warum ist da niemand. Es ist ungefähr 2 Uhr, irgendwo bei km 35.

“Einfach rufen” 

“[…]” [ach du… – die Tanke kann sprechen]

“Einfach rufen – das Mikrofon ist an”

“Achso, ok. Wir hätten gern zwei Mal 1,5 L stilles Wasser und 0,75 L Apfelschorle”

Interessantes Gespräch für diese Uhrzeit. Die mittlerweile hinter uns wartenden Autofahrer auf der Suche nach diversen Genussmitteln, wundern sich sicher über unseren Einkauf und unser Erscheinen. 24h-Tankstellen sind schon etwas Tolles.

Und weiter gehts. Wir sind vor Stunden in Neuss am HBF gestartet, sind von dort zur Erftmündung gelaufen und folgen nun stets dem Fluss. Das Ziel, wie sollte es anders sein, ist die Erftquelle irgendwo dort oben in der Eifel. Genauer gesagt: der 9 km von dort entfernte Bahnhof in Nettersheim.

Neuss hat ein Feuerwerk für uns abgebrannt – stark!

Oft auf dem Erftradweg unterwegs hält die gewählte Route doch mehr schöne Stellen bereit als zunächst befürchtet. Teils lag das sicher auch an der Eigenwilligkeit des Pfadsuchers den Radweg zugunsten etwas, was auf der Karte nach einem Weg aussah, aufzugeben. Gut, teilweise waren die Dinger nicht laufbar und wir haben doch den Radweg genommen. Alles wie immer also. Aber die Erft bietet da immer Optionen. Verpflegt haben wir uns bei km 30 und 50 an 24h-Tankstellen. Danach waren wir im Bereich der Ladenöffnungszeiten und die Erft besucht viele Städte und Dörfer auf ihrem Weg zur Quelle. Durchaus hübsche Exemplare darunter!

Bad Münstereifel

Am Anfang haben wir uns noch gefragt, ob wir jetzt doch die Kontrolle verlieren. Uns vom Normal verabschieden müssen. Aber mit zunehmender Dauer wurde klar: alles ist gut. Direkt aus einer stressigen Arbeitswoche Freitag Abends in einen 124 km-Lauf zu starten geht, wenn man bereit ist den Preis dafür zu zahlen. Ebenso verhält es sich mit dem Versuch aus einem insgesamt müden und wenig leistungsfähigen Gesamtempfinden zu versuchen diese Distanz zu laufen. Geht, ist aber teils grausam. So hatte der Pfadsucher früh zu kämpfen. Doch er hatte ja seinen VPsucher dabei, welcher die Erft völlig unbeeindruckt als einen kurzen Trainingslauf bzw. Trainingswanderung abgehakt hat. Zusammen waren wir das gewohnt starke Team. Zusammen unterwegs vereinen wir Unvermögen mit Unterforderung, Depression mit Motivation und Hoffnungslosigkeit mit dem sicheren Wissen, dass wir ankommen. Die entstehende Mischung ist etwas eigenartig Reduziertes. Es bleibt nur noch die Zeit und das Laufen übrig. Ab und an reden wir zwar auch über unsere “echten” Leben, oft geht es um bisher unentdeckte Features des Garmin etrex30 (X) (einem elektronischen Gerät, dem wir unser Leben sowohl anvertrauen als auch verdanken) – die weitaus meiste Zeit ist aber angefüllt von grobem Unfug. Nicht eine Zeile dieser Gespräche würde für irgendeinen anderen Menschen Sinn ergeben, geschweige denn die Freude vermitteln, die wir dabei empfinden.

Aus angepeilten 17 Stunden sind 20 geworden. Es war alles dabei. Die dunklen Stunden, die etwas weniger heißen Morgenstunden, brütend heiße Kornfeldquerungen, zugewachsene, unebene Feldwege im Wolkenbruch, dampfender Asphalt nach dem Regenguss, eine ansehnliche Quelle und eine Portion Pommes.

Sieht aus wie die Tour de France – ist aber die Erft.

Sieht aus wie eine Treppe zum Fluss – ist aber einfach nur die traurige Realität der momentanen Pfadsucher-Leistung


Wir empfehlen allen Trittbrettfahrern diesen Track:

https://www.gpsies.com/map.do?fileId=nabjajtlwgztgyqu

#Trackhack: an der ersten Tanke bei Nacht – einfach rufen!


Quelle

Quelle

***LIVE*** Erft

Wir sind mal wieder unterwegs. Haben uns im Zug geirrt und sind in Neuss wieder ausgestiegen. Fun fact: hier in der Nähe mündet die Erft in den Rhein. Wir werden also mal schauen wo die Erft so herkommt. Weil wir gerade nichts anderes zu tun haben. Das wird sicher bis morgen dauern. Wir wünschen eine angenehme Nacht zu haben. Wir joggen  dann mal los…


Erft – 121 km – Neuss—Nettersheim

https://www.gpsies.com/map.do?fileId=kujfpfyrsuvgikdi

 

Die Leichtigkeit des Seins.

Es ist eine schöne Stelle. Man tritt nach dem langen Trail des Külfs das erste Mal wieder so richtig aus dem Wald heraus. Auch die längste Dunkelheit weicht in diesem Moment. Der erste Teil der Straße bergab führt zwar noch durch Bäume, doch dann erreicht man das Feld. Es wird wieder etwas heller und die Weite ist zurück. Befreiend nach den engen Kilometern davor. Befreiend und entmutigend. So weit noch zu laufen.

Jedes mal frage ich mich, warum das Gras so hoch steht auf diesem Weg. Es ist unfassbar anstrengend sich dort durch zu kämpfen. Und immer ist es nach der Nacht noch nass. Am anderen Ende wartet dann aber endgültig der Asphalt. Seicht bergab bis zur Straße. Und hinter dieser Straße ist der VP. Mir ist leicht ums Herz. Es ist vorbei. Die Entscheidung steht eigentlich schon seit Stunden. Es war natürlich Unsinn, den schwersten Trail des Laufes noch mitzunehmen – aber ich wollte es dann doch durch die Nacht schaffen. Das Licht wiedersehen und den 24 Stunden nahe kommen. In der Ruhe dieses schönen Morgens ist es dann leicht zu sagen: es ist genug. Für ganz bis zum Ende hat es dieses Mal nicht gereicht und das ist völlig ok.

STUNT100 2018 – weites Land!

Diesen Kilometer bergab denke ich an nichts anderes als an den warmen Kaffee dort unten, an ein paar Stunden Schlaf und auf die Freude meine tapferen Kameraden dann frisch geduscht im Ziel begrüßen zu können. Erschöpft lasse ich mich in den Campingstuhl sinken – es ist ja das letzte Mal für heute. Der Kaffee schmeckt hervorragend. Und die Erschöpfung darf jetzt voll zuschlagen. Es gibt ja nun nichts mehr zu tun. Ich verabschiede meine treuen Kameraden. Wir hatten tolle 24 Stunden zusammen in den Wäldern und Feldern rund um Sibbesse. Aber es ist Zeit Abschied zu nehmen und es ist schön zu sehen, wie sie wieder anlaufen – ihren Finisher-Sternen entgegen. Hansi ruft an und spricht kurz mit Karsten – irgendwas tut sich im Ziel: die Sieger nähern sich. Der zweite Kaffee schmeckt wunderbar.

STUNT100 2018 – nichts für Ungelenkige

Aber wo bleibt die bleierne Müdigkeit? Warum wird der dumpfe Schmerz im System nicht wie sonst am Ende des langen Laufens größer? Ich schaue auf die Hügelkette voraus. Dahinter liegt Sibbesse. Das Ende von Runde 3 und, nach weiteren 21 km, das Ende des Rennens. Sollte die Antwort tatsächlich erst dort liegen? Ich stehe auf. Es tut nicht weh und geht einigermaßen flüssig. Ich greife nach meinem Rucksack. Ein seltsames Gefühl. Zeit zu gehen.